Echte Tells, wie z. B. im Film "Rounders", wo der Protagonist die Handstärke daran ablesen kann, ob sein Gegner den Keks am Ohr oder vor dem Mund zerbricht, sind selten. Oft ist das Verhalten der Gegner widersprüchlich und gibt wenig bis keine Information her.
Tatsächlich werden hier teilweise gezielt Legenden gestreut, um Anfänger und schlechte Spieler zu verwirren bzw. um aus falsch gesetzten Tells Kapital zu schlagen. Unsere Tells sind dagegen meist gültig und deswegen haben wir nur die eindeutigsten ausgewählt.
1. Redestopp und Redeschwall
Ein Gegner, der pausenlos redet und wenn er seine Hand bekommt, schlagartig damit aufhört, wurde oft von einer starken Hand getroffen. Dasselbe gilt umgekehrt für einen Spieler, der bisher keinen Ton gesagt hat und dann plötzlich redet wie Eddy Murphy.
2. Der Klang der Stimme
Gerade bei Gegnern mit Mütze, Sonnenbrille oder ähnlichem Verpackungsmaterial kann der Klang der Stimme ein Indiz für Stärke bzw. Schwäche sein. Einem Spieler mit einer guten Hand fällt das Reden im Zweifel leichter, er klingt befreit und souverän. Manchmal reicht es auch, die Stimme nur einmal zu hören, um den Gesamteindruck zu vervollständigen.
3. Blitzartiges Interesse am Fortgang der Hand
Ein sehr gutes Indiz ist das plötzlich erwachende Interesse für den Fortgang der Runde. Fragen wie: “Wer ist dran?” oder Aufforderungen an den Dealer, die Hand weiterzugeben, signalisieren, dass ein Spieler es eilig hat, weil er mit seiner guten Hand schnell Profit machen will. Das gilt natürlich besonders für Spieler, die vorher eher desinteressiert wirkten.
4. Holecards werden nur bei Bedarf geschützt
Es gibt tatsächlich Spieler, die ihre Hole-Cards nur mit einem Chip sichern, wenn sie auch gut sind. Sollte ein Spieler wirklich so doof sein, verdient er nichts anderes als Geld zu verlieren. Grundsätzlich sollten alle Handlungen und Gesten am Pokertisch gleich und konsistent sein - egal, welche Hand man hat.
5. Energisches Platzieren der Chips
Wenn ein Spieler seine Chips mit übertriebenem Nachdruck in die Mitte schiebt, ist dies oft ein Anzeichen für einen Bluff. Durch die energische Platzierung der Chips soll nicht vorhandene Stärke kompensiert werden.
6. Fummeln an den Chips
Wenn ein Spieler unbewusst nach dem Betrachten seiner Hand seine Chips anpackt oder mit ihnen herumspielt, ist das meist ein Zeichen für eine starke Hand. Gedanklich wird schon einmal die Wetthöhe abgecheckt und überlegt, wie man seine Chips mit dieser starken Hand gewinnbringend einsetzen kann. Gleiches gilt für einen sofortigen Blick auf die eigenen Chips, wenn der Flop gekommen ist. Dann hat er meist getroffen...
7. Die Höhe der Wetten im No Limit
Schlechte Spieler beherrschen die richtige Wahl der Wetthöhe nicht. Sie setzen zu hoch oder zu niedrig und verraten allzu oft durch ihr Wettverhalten ihre Hand. Sie sind dementsprechend leicht zu lesen, weil die von ihnen gewählte Menge Chips zu sehr mit ihren Karten korrespondiert.
8. Luft anhalten, einfrieren
Ein Spieler, der mehr oder weniger einfriert bzw. die Luft nach dem Setzen anhält, blufft oft. Das Reden fällt beim Bluffen nicht so leicht, als wenn man mit einer guten Hand ‘auf der sicheren Seite ist’. Oft wollen die Gegner auf keinen Fall den todbringenden Call auslösen, sei es verbal oder durch eine Bewegung.
9. Wirken sie stark, sind sie oft schwach und umgekehrt
Machen Sie es vor allem gegen Anfänger nicht zu kompliziert. Grundsätzlich kann man über schlechte Spieler sagen, dass sie stark sind, wenn sie schwach schauspielern und umgekehrt. Seufzen, resigniertes Achselzucken und ein gespielt trauriger Blick deuten auf starke Hände hin. Für Multi-Level-Thinking haben Anfänger und schwächere Spieler meist keine Ressourcen.
10. Aufrichten im Stuhl
Im Live-Poker erkennt man starke Hände beim Gegner oft daran, dass er fast unmerklich eine aufrechte Sitzposition einnimmt. Er bereitet sich auf eine lukrative Hand vor und der Mensch-Avatar geht äußerlich sichtbar in Habacht-Stellung.
Interne Tells oder einfach nur Tilt?
Bob Silverstein ist ein Psychotherapeut, der auch Poker spielt (oder sagt man hier Pokerspieler, der auch Therapien durchführt?). Er hat über etwas geschrieben, dass er interne Tells nennt - emotionale Ausnahmezustände, die die Entscheidungsfindung am Tisch beeinflussen.
Der Begriff ist ungewöhnlich, und Silverstein beschreibt eine Reihe von Umständen, die einen „internen Tell" begünstigen.
Dazu gehören Spannungszustände unter Druck (schwierige Hand, viel Geld im Pot), Unwohlsein aufgrund der Lebensumstände (Familien- oder berufliche Probleme), individuelle Unterschiede in der Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren und zu unterdrücken, und natürlich der Hellmuth-Koller sowie die Matusow-Kernschmelze.
Silverstein hat hier etwas Interessantes entdeckt, das einen näheren Blick wert ist.
Zunächst glaube ich, dass der Name nicht richtig gewählt ist. Es handelt sich nicht um einen internen Tell. Es ist überhaupt kein Tell im klassischen Wortsinn.
Tells sind Bewegungen oder Veränderungen in der Haltung, die Informationen über die Stärke einer Hand preisgeben.
Ein Tell erzählt den Gegnern etwas, das sie sich zunutze machen können, um bessere Entscheidungen zu treffen. Wenn man gerade mit dem Konkursrichter zu tun hat, fühlt man sich vielleicht nicht wohl, aber es hat nicht unbedingt einen Einfluss darauf, mit welcher Attitude man K-8off aus dem BB spielt.
Silverstein merkt an, dass er mit mehreren Profis darüber gesprochen hat, und jeder von ihnen hätte „sofort Schwierigkeiten damit gehabt, sich mit dem Konzept auseinanderzusetzen".
Und das ist auch kein Wunder.
Der größte Feind des Pokerspielers - Tilt in jeder Form
Silverstein spricht eigentlich über Tilt. Wenn es einen „internen Tell" gibt, dann erzählt er eigentlich nur, dass der Spieler tatsächlich auf Tilt ist.
Tilt ist der größte Feind des Pokerspielers. Schon unzählige Artikel wurden darüber geschrieben, und dennoch ist das Phänomen bei heute nicht vollständig erklärt. Von all denen, die sich damit beschäftigt haben, ist Tommy Angelo der Klärung am nächsten gekommen.
Ich habe schon einmal das Buch Elements of Poker empfohlen, und ich wiederhole mich hier gern. Angelo würde sich bei Silverstein wiederfinden, aber ich vermute, dass er andere Termini verwenden würde.
Warum sind „interne Tells" eigentlich Tilt? Weil sie innere Befindlichkeiten beschreiben, die korrekte Entscheidungsfindung verunmöglichen. Manchmal sind sie kognitiver Natur, z. B. wenn man deprimiert oder müde ist und Schwierigkeiten damit hat, eine komplexe Hand durchzuspielen. Manchmal sind es finanzielle Probleme (wie eine schrumpfende Bankroll), eine innere Angst entstehen lassen und bekanntlich das Selbstbewusstsein untergraben.
Und manchmal gibt diese Tage, an denen man die Ruhe verliert und den klaren, konzentrierten Zugang zum Spiel, und man fühlt sich unsicher und unwohl.
Jeder dieser Gemütszustände führt zu Tilt, denn Zorn, Depression, Angst, Unsicherheit, Verwirrung und ähnliche Zustände verhindern optimale Entscheidungsfindung. Suboptimale Entscheidungsfindung ist jedoch die funktionelle Entsprechung zu Tilt.
Ich erkläre das hier im Detail, weil dies ein wichtiger Punkt ist. Tilt bedeutet nicht nur, seine Karten wegzuwerfen oder sich in einen Raise-Reraise-Kampf zu verwickeln. Tilt zeigt sich nicht nur in so offensichtlichen Dingen wie lauten Beschinpfungen des Gegners.
Tilt beschreibt jede, absolut jede Situation, in der man nicht mehr sein bestes Poker spielt.
Schlicht und ergreifend.
Wenn es aber so einfach ist, warum wird dann so viel Wind darum gemacht? Eben weil es so einfach ist - und weil einfache Wahrheiten oft mit komplexen Lektionen einhergehen.
Was hier die Lektion ist? Kommen wir noch einmal zu Silverstein zurück, denn er hat das Thema im Grunde richtig beschrieben, wenn er es auch nicht richtig benannt hat.
Er rät dazu, auf die innere Stimme zu hören, den eigenen emotionalen Zustand zu erkennen und zu versuchen, die innere Ausgeglichenheit zu finden, die man benötigt.
Er zitiert eine Unterhaltung mit Jerry Yang (ja ich weiß, niemand hält viel von seinem Spiel, aber Himmel nochmal, er hat die ganz große Marie gewonnen). Yang erzählte ihm, dass er nicht gut Poker spielen könne, wenn ihm andere Dinge durch den Kopf gingen.
Er erläuterte, „wenn ich ruhig und entspannt bin und mich nichts ablenkt, fühle ich mich beinahe unüberwindbar".
Humberto Brenes (der allgemein als recht guter Spieler anerkannt ist, wie ich meine) erzählte Silverstein, dass er, wenn er einen Lauf hat, die Karten gar nicht mehr sieht: „Ich werdfe zu meinen Karten." Und wenn er einen großen Pot verliert, legt er einen seiner Lieblingssongs auf seinem iPod auf und singt sich selbst etwas vor, bis er sich wieder beruhigt hat.
Aus diesen Anekdoten sollten wir zwei eintscheidende Dinge lernen. Erstens muss man die Situationen erkennen, die zu Tilt führen. Das ist schwieriger, als es sich anhört.
Ich bemerke oft an mir selbst, dass ich berärgert bin oder die Geduld verliere, und sobald ich das bemerke. Frage ich mich selbst: „Wann hat das angefangen? Wie lange fühle ich mich schon so? Wie viele schlechte Entscheidungen habe ich schon getroffen?"
Ich spiele das Spiel seit Jahrzehnten und arbeite immer noch daran, diese Zustände zu erkennen. Es bleibt schwierig.
Der zweite Punkt ist, dass man mental in der Lage sein muss, wieder von dem Tilt „herunterzukommen".
Brenes singt (manchmal laut!). Yang verdrängt unangenehme Gedanken. Angelo meditiert und setzt kontrolliertes Atmen ein (lesen Sie das Buch). Und Reber, na ja, Reber hat den Dreh immer noch nicht richtig raus, aber verdammt nochmal, es ist aber auch schwierig.