Um bei einem so großen Turnier wie dem WSOP Main Event einen der vordersten Plätze oder gar die November Nine zu erreichen braucht man eine Menge Glück – und man darf sich im Grunde keinen einzigen Fehler erlauben. Für Mathematiklehrer Valentin Vornicu verlief der Main Event lange perfekt, bis er die Nerven verlor und sein Turnier auf einen Schlag ruinierte.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir steigen ein an Tag 7 des WSOP Main Event. Es sind noch 25 Spieler dabei, die allesamt $269.430 Preisgeld sicher haben. Der nächste Preisgeldsprung kommt auf Platz 18 und macht direkt fast $70.000 aus.
Die Blinds betragen 100.000/200.000 plus 30.000 Ante, wodurch schon vor der Hand 540.000 Chips im Pott sind.
Im Hijack raist Kenny Hallaert (13,2 Millionen/66 BB) auf 475.000 und auf dem Button bekommt Valentin Vornicu (20,9/ 104 BB)
ausgeteilt. Der Mathematiklehrer und achtfache Gewinner eines WSOP-Circuit-Rings reraist auf 1,1 Millionen. Die Blinds folden, aber Hallaert callt. Im Pott sind damit 2,74 Millionen, die effektiven Stacks betragen noch 12,1 Millionen.
Der Flop bringt
Hallaert checkt, Vornicu setzt 1,225 Millionen und Hallaert callt. Im Pott sind 5,19 Millionen, die effektiven Stacks betragen noch 10,9 Millionen.
Der Turn bringt die
Hallaert checkt, Vornicu setzt 2,2 Millionen und Hallaert callt. Im Pott sind 9,59 Millionen, die effektiven Stacks betragen noch 8,7 Millionen.
Der River bringt die
Hallaert checkt, Vornicu setzt 2,65 Millionen und Hallaert geht mit 8,7 Millionen. Im Pott sind fast 21 Millionen, und Vornicu callt ohne Nachdenken die 6 Millionen, die er bezahlen muss.
Kenny Hallaert zeigt
und gewinnt den Pott mit fast 27 Millionen Chips.
Vornicu verliert fast zwei Drittel seines Stacks und fällt auf 7,7 Millionen, also knapp 39BB zurück. Wenig später scheidet er auf Platz 23 aus, während Kenny Hallaert nächste Woche bei den November Nine antritt.
Analyse und Bewertung
Auf den ersten Blick sieht es vielleicht so aus, als hätte Vornicu in dieser Hand sehr viel Pech gehabt und mit seinem Overpair gegen eine gut versteckte Hand unglücklich so viele Chips verloren, doch in Wirklichkeit überspielte er sein Blatt komplett.
Warum, das wollen wir uns hier genauer anschauen.
Nach Hallaerts Raise findet Vornicu eine perfekte Situation vor. Er hat auf dem Button die drittstärkste Starthand, aber ein viel breiteres Spektrum als in jeder anderen Position bei einem Reraise.
Viele Spieler reraisen auf dem Button mit recht vielen Händen, um Position oder Situation auszunutzen.
Aus diesem Grund kann Hallaert trotz seiner äußerst mäßigen Starthand ATs und der nicht vorhandenen Position auch nicht folden – er bekommt zudem sehr gute Pot Odds.
Volltreffer für Hallaert
Der Flop ist für Hallaert natürlich annähernd perfekt, da er nun ein gut verstecktes Monster hat.
Nach seinem Check gibt es aber für Vornicu noch keinen Grund zurückzustecken. Er liegt mit seiner Hand fast immer vorn und kann von mittleren Paaren wie 99, 88 oder 66, aber auch AX-Händen bezahlt werden, gegen die er seine Hand gleichzeitig auch mit seiner C-Bet schützt.
Insofern sagt auch Hallaerts Call recht wenig aus. Der Belgier kann hier noch recht viele Hände, darunter viele schlechtere, haben.
Etwas anders sieht es schon auf dem Turn aus. Die Sechs verändert nicht viel, außer dass Hände wie 66 oder 98 jetzt ein Monster sind, aber das sind nur zwei Blätter von vielen möglichen.
Nach Hallaerts Check bringt Vornicu recht schnell die nächste Bet, was zweifellos kein grober Fehler, aber vermutlich nicht der beste Spielzug ist.
Weit vorn oder weit hinten
Zum einen handelt es sich hier um eine sogenannte „Way ahead-or way behind-Situation“, sprich man ist entweder weit vorn oder weit hinten, und wer hinten liegt, hat kaum noch Outs.
Wichtiger aber ist, dass viele der zuvor aufgezählten Hände wie 99, 88 oder AX auf keinen Fall drei Bets bezahlen können und nach einer Bet schlicht folden müssen. Nach einem Check und einer bedeutungslosen Karte auf dem River würden diese Hände aber vielleicht noch eine Bet bezahlen.
Spätestens als Hallaert diese zweite Bet callt, hätten bei Vornicu die Alarmglocken schrillen sollen, doch es kommt noch schlimmer.
Katastrophe auf dem River
Hallaert checkt auf dem River erneut und verzichtet damit auf eine durchaus plausible Value Bet.
Das Spektrum des Belgiers ist nach zwei Calls auf Flop und Turn mittlerweile sehr stark, daher sollte Vornicu einfach checken und schauen, ob seine Hand gut ist.
Mal im Ernst, welche schlechtere Hand außer vielleicht JJ kann hier noch eine Bet von Vornicu callen?
Offenbar befand sich der Mathematiklehrer in einer Art Tunnel und er setzte Hallaert hier gnadenlos auf AX oder 99 bzw. 88, anders ist seine niedrige Bet kaum zu erklären.
Viel schlimmer als seine Bet ist allerdings der prompte Call, nachdem Hallaert per Check-Raise All-In geht. Vornicu muss über 6 Millionen Chips zahlen und macht sich immer noch nicht die Mühe darüber nachzudenken, was sein Gegner auf der Hand haben könnte.
Zwei extrem schwache Entscheidungen von Vornicu auf dem River, der so ein bis dahin glänzend gelaufenes Turnier mehr oder weniger ruinierte.
Anschließend hatte er kein Glück mehr und schied auf Platz 23 aus, während Hallaert seine Chips dazu verwendete, erfolgreich die November Nine anzusteuern.
Fazit
Valentin Vornicu begeht den Kardinalfehler, sich keine ausreichenden Gedanken (wenn überhaupt welche) über das gegnerische Spektrum zu machen, und überspielt sein Overpair gnadenlos.
Sein Gegner Kenny Hallaert weiß gar nicht recht, wie ihm geschieht, und ist sichtlich erleichtert, als er die gegnerische Hand sieht.
So wie Vornicu die Hand spielte, hätte er durchaus auch ein Full House mit 77 oder 66 haben können.