Das letzte Super Highroller-Turnier der European Poker Tour endete mit einer echten Sensation. Der tschechische King’s-Casino-Besitzer Leon Tsoukernik schlug die gesamte Weltelite und sicherte sich den Titel.
Die wichtigste Hand auf seinem Weg zum Triumph präsentieren wir hier und werden sehen, dass auch erfahrene Weltklasseprofis an die Grenzen ihrer Handanalyse stoßen können.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Beim €50.000 Super-Highroller-Turnier der EPT Prag sind noch vier Spieler dabei, alle haben mindestens €258.800 sicher.
Während es für die drei Profis Vjacheslav Buldygin, Juha Helppi und Charlie Carrel vor allem um das Geld geht, interessiert sich der schwerreiche Leon Tsoukernik vor allem für eins: den Titel und die damit verbundene Ehre.
Die Blinds betragen 40.000/80.000 plus 10.000 Ante.
Nach Helppis (er ist der Shortstack) Fold raist Tsoukernik (Stack: 4,17 Mio; 52 BB) vom Button auf 200.000. Carrel (Stack: 4,15 Mio; 52 BB) callt im Small Blind mit
Und auch Buldygin (2,75 Mio; 34 BB) callt im Small Blind. Im Pott sind damit 520.000.
Der Flop bringt
Alle drei Spieler checken. Der Turn bringt die
Carrel setzt mit seinem Two Pair 325.000, Buldygin foldet, aber Tsoukernik callt. Im Pott sind 1,29 Millionen, beide Spieler haben noch etwa 3,6 Millionen Chips übrig.
Der River bringt die
Carrel spielt weitere 620.000 an, worauf Tsoukernik auf 1,7 Millionen raist. Carrel überlegt fast zehn Minuten und callt dann. Tsoukernik gewinnt mit
den Pott und später auch das Turnier.
Hier die gesamte Hand in bewegten Bildern:
Analyse und Bewertung
Warum denkt ein so starker Spieler wie Charlie Carrel in dieser Situation so lange nach und entscheidet sich schließlich falsch – das vor allem sind die Fragen, die wir hier beantworten wollen.
Schauen wir uns die Hand zu diesem Zweck noch einmal aus Carrels Sicht von Anfang bis Ende an. Nach Leons Raise vom Button, der reichlich wenig über dessen Hand aussagt, hat Carrel mit A♣ 4♣ meist die beste Hand, doch sind die turniertaktische Konstellation und die Stackgrößen ungünstig für einen Reraise.
Mit einem Call kann der Brite den Pott in überschaubarer Größe halten und oft den Showdown erreichen.
Buldygin callt im Big Blind mit einer schwachen Hand aufgrund der Pot Odds, er hätte auch folden können.
Weiterhin unklare Spektren auf dem Flop
Als der Flop sehr trocken mit A95 in drei Farben daherkommt und alle drei Spieler checken, lässt sich nur wenig mehr über die Spektren der Spieler sagen.
Überhaupt keine neuen Informationen gibt es zu Carrel und Buldygin, da diese praktisch immer zum Raiser checken, und auch Leons Check sagt nicht unbedingt viel aus.
Zwar hätte er mit einem hohen Ass gegen zwei Gegner vermutlich meist gesetzt und auf Auszahlung von einem schwächeren Blatt gehofft, aber selbst das ist nicht sicher.
Unklar ist bei einem so trickreichen Spieler wie ihm aber insbesondere, ob er mit einem Monster wie A9, A5, 99 oder 55 gesetzt hätte.
Im Grunde lässt sich also nur sagen, dass er meist gar nichts hat, da er mit so vielen Händen vom Button raist und den Flop nur selten trifft.
Two Pair auf dem Turn
Auf dem Turn trifft Carrel dann sogar Two Pair und schreitet sofort zur Tat. Er kann hier von einigen schlechteren Händen ausbezahlt werden und hat fast immer die beste Hand.
Buldygin foldet seine Müllhand mit Q6, doch Leon denkt einige Sekunden nach, ehe er schließlich callt.
Sein Call ist mathematisch falsch, da er für eine Gewinnchance von 10 Prozent (bzw. vier Outs) 325.000 Chips in einen Pott mit 845.000 bezahlen muss – also viel zu viel, um profitabel drawen zu können.
Doch er liebt das Zocken und natürlich den Reiz, mit der schlechtesten Pokerhand überhaupt einen Pott zu gewinnen.
Die böse Überraschung auf dem River
Nach der unschuldigen Drei auf dem River gibt es für Carrel abermals keinen Grund, nicht zu setzen.
Er kann von einem merkwürdig gespielten hohen Ass, das Pott-Kontrolle betrieb bzw. eine Falle aufstellen wollte, ausbezahlt werden, aber auch von einer ungläubigen Neun oder einem Paar Zehnen.
Die böse Überraschung folgt aber auf dem Fuß, denn Carrel hätte gern einen Gegner gesehen, der eine Weile überlegt und sich dann zu einem Call durchringt, doch Leon hat ganz anderes im Sinn.
Er raist auf 1,7 Millionen und stellt Carrel vor eine schwere Entscheidung. Schauen wir uns der Ordnung halber die mathematische Sachlage an, wobei es sich hier um eine außerordentliche Situation handelt, die alle Spieler am Tisch nicht allzu oft erleben werden.
Carrel muss 1,08 Millionen bezahlen, um einen Pot mit 3,61 Millionen zu gewinnen, d.h. er bekommt sehr gute Pot Odds von 3,3 zu 1.
Der Brite hat hier aber gleich mehrere Probleme. Erstens hat er es mit einem bekanntermaßen extrem loosen Gegner zu tun, der viel blufft und immer sehr breite Spektren hat.
Dazu kommt, dass Leons Spektrum wie beschrieben auch so anhand der bisherigen Setzfolge sehr schwer zu bestimmen ist.
Er kann durchaus ein Monster wie 99 oder 55 haben und damit noch raisen, wenngleich sich das angesichts des nicht ungefährlichen Boards sicher nicht jeder Spieler trauen würde.
Zwei Hände aber muss Carrel besonders fürchten. 76 oder jede Hand mit einer Zwei haben gerade eine Straight bekommen und raisen auf jeden Fall.
Nun heißt es, die Wahrscheinlichkeit dieser Blätter abzuwägen. Und das ist gegen diesen konkreten Gegner, der die Vorteile seines loose-aggressiven Stils durchaus auszunutzen weiß, extrem schwer.
Am Ende entschied sich Carrel vermutlich deshalb für einen Call, weil ein gegnerischer Turn-Call mit einer Zwei mathematisch inkorrekt war und deshalb unwahrscheinlicher wurde und Leons Spektrum daher vermeintlich aus sehr vielen Bluffs.
Wie er feststellen musste, kann ein Leon Tsoukernik aber auf jedem Board (fast) alles haben.
Fazit
Leon Tsoukernik begeht auf dem Turn einen mathematischen Fehler, der ihm anschließend aber reiche Verzinsung einbringt.
Bei einem so starken Spieler wie Charlie Carrel kommt es nicht allzu oft vor, dass er so lange nachdenkt, doch in diesem Fall waren die Komponenten – undurchsichtiger Gegner und undurchsichtiges Spektrum – schlicht ein Dschungel, den er nicht durchdringen konnte.