Ein großartiges Beispiel, wie man beim Poker auch ohne die beste Hand gewinnen kann, können wir dieses Mal in unserer Hand der Woche präsentieren. Daniel Negreanu führt dabei eindrucksvoll vor, dass man mit gelungener Handanalyse und der richtigen Schlussfolgerung erstaunliche Folds erzwingen kann. Am Ende hat er schlicht eine der schönsten Hände der Pokergeschichte produziert!
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir befinden uns in der Anfangsphase des Main Event der EPT London 2010, die Blinds betragen 50/100. In erster Position raist der unbekannte Spieler Angel Shlomi auf 475. Farzad Bonyadi callt in mittlerer Position und auf dem Button bekommt Daniel Negreanu
Er callt ebenfalls, es sind 1.575 im Pot und es wird der Flop mit
aufgedeckt. Shlomi setzt mit 1.525 fast Potgröße, worauf Bonyadi foldet. Negreanu aber callt. Im Pot sind 4.625. Der Turn bringt
Dieses Mal setzt Shlomi 2.125 und Negreanu callt wieder. Im Pot sind damit 8.875. Der River bringt die
Dieses Mal setzt Shlomi 3.000, also knapp ein Drittel des Pots. Negreanu raist auf 12.800 und sagt, als sein Gegner nachdenkt: “Ich glaube, er hat Asse oder Könige.“ Shlomi denkt kurz nach und foldet dann
Negreanu gewinnt mit der schlechteren Hand den Pot und beschließt sein Meisterstück mit den Worten: „Ich sagte nur, welche Hand ich dir zutraue, aber nicht, dass ich sie schlage.“
Hier die Hand in bewegten Bildern:
Analyse und Bewertung
Diese Hand ist wirklich ein seltenes Meisterwerk in der Pokergeschichte, und natürlich wollen wir uns anschauen, wie es dazu kommen konnte.
Bereits die Action vor dem Flop ist sehr wichtig. Mit seinem sehr hohen Raise aus früher Position verrät Shlomi auch ohne Vorgeschichte, dass er vermutlich eine gute Hand hat.
Nach Bonyadis Call ist die Verlockung für Negreanu groß, auf dem Button in die Hand einzusteigen. Er hat mit T♦ 9♦ eine tolle, bestens für Multiway Pots geeignete Hand und er hat bis zum letzten Blutstropfen Position.
Die Blinds folden und es wird mit 9♠ 5♠ 4♣ ein relativ drawlastiger Flop aufgedeckt. Shlomi setzt fast Potgröße, worauf Bonyadi aussteigt. Für Negreanu ist diese Bet die nächste Information, dass sein Gegner vermutlich ein hohes Paar hat und seine Gegner nicht billig drawen lassen möchte.
Ein teuflischer Plan
Vermutlich hat Negreanu schon hier seinen teuflischen Plan gefasst, der daraus besteht:
1. Mit einer weiteren Neun oder einer Zehn ein verstecktes Monster zu treffen.
2. Bei einem Pik einen Flush zu repräsentieren (sein Gegner kann mit einem hohen Paar keinen Flush haben).
3. Den Pot mit einem anderen Bluff gegen eine Hand zu stehlen, die sich fast nie mehr verbessert und mit zunehmender Dauer der Hand immer mehr Gefahren befürchten muss.
Sein Plan beruht auch darauf, dass die Hand seines Gegners mehr oder weniger offen auf dem Tisch liegt und er möglicherweise einen Fehler begeht.
Nach der Q♥ auf dem Turn setzt Shlomi zunächst unbeirrt weiter. Er bringt dieses Mal eine gute Bet in etwas weniger als halber Potgröße. Mit ihr kann er Draws noch einmal gut abkassieren.
Wieder callt Negreanu, der weiterhin seine dreigleisige Strategie fährt.
Der Dampfhammer auf dem River
Nach der 8♣ auf dem River bringt Shlomi noch einmal eine recht niedrige Bet mit etwas mehr als einem Drittel des Pots. Diese Bet hat mehrere Schwächen. Zunächst hat Shlomi eine Hand, die schlecht einen Raise callen kann, und außerdem muss er sich fragen, welche schlechtere Hand ihn eigentlich noch bezahlen soll.
Zudem hat er zuvor so gespielt, dass er Draws abkassieren kann, doch außer 76 ist keiner dieser Draws angekommen. Gerade in dieser frühen Turnierphase wäre es daher klug gewesen, mit einem Check entweder den Showdown anzustreben oder einen gegnerischen Bluff zu provozieren.
Umgekehrt ist für Daniel Negreanu nun ziemlich klar, dass sein Gegner das vermutete hohe Paar hat. Mit einem Bluff oder einer stärkeren Hand würde er definitiv mehr setzen, um ernsthaften Druck auszuüben, während er so den Kontrahenten förmlich zum Call einlädt bzw. zwingt.
Damit weiß der Kanadier auch, dass seine Neun nicht für einen Sieg ausreicht, wie es etwa nach einem gegnerischen Check der Fall hätte sein können. Das zeigt auch, wie schwer es für Negreanu nach einem Check von Shlomi gewesen wäre, einen Bluff zu versuchen. Der Pot wäre deutlich kleiner gewesen und damit wäre auch der Hebel nicht so groß gewesen, und er hätte die Hoffnung haben können, dass seine Neun reicht.
Was dann folgt, ist absolute Weltklasse und ein Psychotrick, den man wirklich noch nicht oft gesehen hat. Negreanu raist seinen Gegner und sagt ihm, auf welche Hand er ihn setzt.
Das wirkt so überzeugend und so verblüffend, dass Shlomi seine Hand umgehend entsorgt.
Bei längerem Nachdenken hätte Shlomi sich vielleicht gefragt, was Negreanu mit diesem Manöver bezwecken will, denn letztlich suggeriert er seinem Gegner damit ja einen Fold, was mit einer besseren Hand kaum in seinem Interesse wäre.
Ein klassisches Beispiel, wie man einen Schritt weiterdenkt als der Gegner und einen unsicheren und unerfahrenen Gegner überfährt.
Fazit
Daniel Negreanu demonstriert gegen den unerfahrenen Angel Shlomi sein gesamtes Können in der Handanalyse und in der psychologischen Kriegsführung.
Angel Shlomi hat seine Hand dagegen sehr sorglos gespielt und durch eigenes Verschulden dafür gesorgt, dass sein Spektrum von Setzrunde zu Setzrunde immer enger wurde. Am Ende musste er bitter dafür bezahlen, als er mit einer schlecht dosierten Bet seinen Gegner zum Raise einlud.