Wie schaffen es außergewöhnliche Spieler, in turnierentscheidenden Situationen brillante Folds zu finden? In unserer aktuellen Hand der Woche schauen wir uns eine Hand von der WSOP an und untersuchen, wieso Weltmeister Carlos Mortensen minutenlang hin und her gerissen ist, am Ende aber die richtige Entscheidung trifft.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir befinden uns an Tag 6 des WSOP Main Event 2013. Es sind noch 38 Spieler dabei, die alle schon über $185.000 sicher haben und nun um die ganz großen Summen konkurrieren.
Die Blinds betragen 30.000/60.000 plus ein Ante von 10.000, und Carlos Mortensen (knapp 3 Millionen Chips / ca. 50BB) bekommt in früher Position
Er raist auf 135.000 und bekommt zwei Caller. Im Cut-Off callt der Niederländer Jörn Walthaus (etwa 6,5 Millionen Chips / ca. 100BB) und im Small Blind der Amerikaner Matthew Reed.
Im Pott sind damit 555.000 und der Flop bringt
Reed checkt, Mortensen checkt und Walthaus setzt 215.000. Reed foldet, aber Mortensen callt.
Im Pott sind damit 985.000 und der Turn bringt die
Mortensen checkt wieder und Walthaus setzt weitere 510.000. Mortensen callt erneut.
Im Pott sind damit 2.005.000 und der River bringt die
Mortensen checkt wieder und Walthaus setzt dieses Mal 975.000. Nach sechsminütigem Nachdenken und Sekunden vor Ablauf seiner Bedenkzeit foldet Mortensen und liegt damit richtig, denn Walthaus hatte
und damit ein Full House.
Die gesamte Hand könnt ihr euch hier noch einmal ansehen:
Analyse und Bewertung
In einer äußerst wichtigen Situation entscheidet sich Carlos Mortensen auf dem River zu einem Fold, den wohl kaum ein Amateur fertig gebracht hätte. Schon davor spielte der spanische Weltmeister von 2001 so, wie es vermutlich kein Freizeitspieler gemacht hätte, und wir wollen sehen, wieso er sich zu dieser Route entschloss.
Vor dem Flop verläuft alles normal. Mortensen bringt mit der zweitbesten Starthand einen Raise von 2,25BB. So spielt er mit seinem gesamten Raise-Spektrum aus dieser Position und lädt seine Mitspieler damit zum Mitmachen ein.
Optimal wäre es, wenn Mortensen nur einen Gegenspieler bekäme oder sogar einen Reraiser fände (wonach er seinen Gewinn schon vor dem Flop maximieren könnte), doch sind auch zwei Caller durchaus in Ordnung für seine Hand und deren Aussichten.
Der Flop ist mit JJ8 in drei Farben recht trocken – der einzige halbwegs passable Draw überhaupt ist T9 – und das bedeutet für Mortensen Folgendes:
1. Wenn er jetzt vorn liegt, liegt er auf dem River meist auch noch vorne.
2. Wer eine Bet von ihm callt, hat fast nie einen Draw.
Rope-a-dope von Mortensen
In dieser sogenannten Way-ahead-way-behind-Situation entschließt sich Mortensen, die Hand mit passivem Spiel zum Showdown zu bringen, wo er laut Punkt 1 fast immer vorn liegt, bzw. den Gegner bluffen oder mit schlechteren Value Händen setzen zu lassen.
In der Tat gibt es hier nicht viele Hände, mit denen seine Gegner bis zum River callen können. Selbst mit starken Paaren wie TT, 99 oder gar QQ hätte es ein Gegner schwer, bis zum Schluss drei Bets zu bezahlen.
Durchaus möglich ist aber, dass ein Gegner einen Buben hat und auch 88 ist nicht ausgeschlossen – denn diese Hände befinden sich voll und ganz im Call-Spektrum der beiden Gegner im Cut-Off und Small Blind.
Ein Check hat einen weiteren Vorteil. Setzt Walthaus, wie es in der Hand auch tatsächlich geschieht, sieht Mortensen, wie Reed darauf reagiert. Ein Call des Small Blind im Sandwich wäre ein Indiz für eine ziemlich starke Hand.
Würden beide Gegner checken, hätte Mortensen auf dem Turn sicher gesetzt.
Die Krise auf dem River
Nach Reeds Fold callt Mortensen natürlich mit seinem Overpair und bleibt auch auf dem Turn seiner Linie treu.
Die 7♥ hat an der Ausgangslage nicht viel verändert. Sie hat dem unwahrscheinlichen Draw T9 die Straight und drei Kombinationen von 77 ein Full House gebracht, aber viel wahrscheinlicher ist, dass Walthaus entweder einen Buben hat oder das zweite Herz zu einem weiteren Bluff verwendet.
An dieser Stelle kann Mortensen noch nicht aufgeben, doch nach der 2♥ auf dem River gerät sein ursprünglicher Plan, notfalls stumpf drei Bets herunterzucallen, ins Wanken.
Mehrere Gründe kommen nun zusammen, die Mortensen derart ins Grübeln bringen:
1. Würde Walthaus tatsächlich dreimal bluffen, und wenn ja, womit?
2. Ein Bube ist nicht unwahrscheinlich.
3. Ein Set 77/88 zum Full House ist durchaus im Spektrum des Niederländers.
4. Das dritte Herz könnte der Sequenz Bluff auf dem Flop/Semi-Bluff auf dem Turn mit zwei Herz (und vielleicht einem Gutshot) den Runner-Runner-Flush gebracht haben.
Von den Varianten 2 bis 4 sind alle einzeln nicht sonderlich wahrscheinlich, aber in der Summe vielleicht wahrscheinlicher als Variante 1.
Ein sehr wichtiger Faktor ist auch, dass Mortensens Stack nach einer Niederlage auf unter 20BB fiele, während er so noch einen absolut intakten Stack mit über 30BB hat.
Unterm Strich hat dies vielleicht den Ausschlag gegeben, dass Mortensen seine Hand entgegen seinem ursprünglichen Plan aufgab und dabei intuitiv richtig lag.
Fazit
In einer schwerwiegenden Situation trifft Carlos Mortensen die richtige Entscheidung und bereitet damit seinen Deep Run beim Main Event der WSOP 2013 vor.
Während für seinen Gegner Jörn Walthaus auf Platz 26 das Ende kam, schaffte es der Spanier bis auf Platz 10 und nahm über $573.000 mit nach Hause.
Ohne die 2♥ auf dem River hätte Mortensen den Fold womöglich nicht geschafft, im konkreten Fall war diese Karte damit ein Glücksfall!