Die spektakulärste Hand der November Nine 2016 war zweifellos das unglückliche Match-Up, durch das Cliff Josephy seiner Chancen auf den ganz großen Wurf beraubt wurde.
Am dritten Tag des Finales des WSOP Main Event rannte der ehemalige Chipleader mit einem gefloppten Set in ein höheres Set und schied wenig später aus. Hatte er einfach nur Pech oder hätte er tatsächlich folden können – dieser Frage gehen wir dieses Mal in unserer Hand der Woche nach.
Ausgangslage und Spiel bis zum Ende
Wir verfolgen den dritten Tag der November Nine 2016 und es sind noch drei Spieler übrig, die recht eng beieinander liegen. Gespielt wird Hand 171 mit Blinds von 600.000/1,2 Millionen plus 200.000 Ante und die Chipverteilung sieht so aus:
- Cliff Josephy (Button): 102,7 Millionen (85BB)
- Gordon Vayo (Small Blind): 92,9 Millionen (77BB)
- Qui Nguyen (Big Blind): 141 Millionen (117,5BB)
Selbst der relative Short Stack Gordon Vayo hat also noch 77 Big Blinds und einen ausgezeichnet spielbaren Stack.
Auf dem Button bekommt Cliff Josephy
und raist auf 2,5 Millionen. Gordon Vayo callt, aber Qui Nguyen reraist auf 7,7 Millionen. Josephy callt und auch Vayo callt. Im Pott sind 23,7 Millionen Chips, die effektiven Stacks liegen bei 85 Millionen.
Der Flop bringt
Gordon Vayo checkt, Qui Nguyen setzt 9,9 Millionen. Josephy callt und auch Vayo callt. Im Pott sind 53,4 Millionen Chips, die effektiven Stacks liegen bei 75,1 Millionen.
Der Flop bringt die
Gordon Vayo checkt, Qui Nguyen checkt, Josephy setzt 21 Millionen und Vayo geht nach einer längeren Pause mit 75,1 Millionen All-In. Ngyuen foldet. Im Pott sind 149,5 Millionen Chips, und Josephy muss 54 Millionen von seinen verbliebenen 64 Millionen nachzahlen.
Schließlich callt er und verliert gegen Vayos höheres Set mit
Zur Information: Nguyen hielt A♠ J♠
Zwar konnte sich Josephy durch einen Verdoppler noch einige Zeit im Turnier halten, doch dann schied er auf Rang 3 aus.
Gordon Vayo konnte die frisch errungene Chiplead nicht nutzen und musste Qui Nguyen den Sieg überlassen.
Hier diese Hammerhand in bewegten Bildern:
Analyse und Bewertung
Laut Dan Harrington hat man einen Fehler gemacht, wenn man mit einem gefloppten Set nicht seine gesamten Chips im Pott unterbringt, aber die Kommentatoren Daniel Negreanu und Phil Hellmuth sahen dies in diesem Fall anders und waren der Meinung, dass Cliff Josephy hier hätte folden müssen.
Schauen wir uns die gesamte Hand noch einmal an, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Vor dem Flop raist Josephy mit seinem niedrigen Paar vom Button, das ist absoluter Standard. Nach Vayos Call reraist Qui Nguyen mit seiner starken Broadway-Hand – auch das ist völlig normal, da er zwar keine Position, aber meist die beste Hand hat.
Mit einem niedrigen Paar trifft man ca. jedes achte Mal ein Set, und da man nicht immer die volle Auszahlung bekommt, lautet die Faustregel, dass man mindestens das Zehnfache des verlangten Betrages an Chips haben sollte, um einen Call zu rechtfertigen.
Das trifft bei Josephy (und bei Vayo) locker zu – er muss 5,2 Millionen nachzahlen und hat danach noch 100 Millionen, seine Implied Odds sind also mehr als ausreichend.
Trockener Monster-Flop
Der Flop könnte für Josephy nicht besser sein. Er trifft sein erhofftes Set und das Board ist nicht nur dreifarbig und sehr trocken, sondern enthält auch einen König, der beiden gegnerischen Spektren geholfen hat.
Nach Vayos Check bringt Nguyen die normale C-bet, um den König zu repräsentieren, worauf Josephy callt.
Das ist zweifellos die richtige Spielweise, da Josephy fast sicher die beste Hand hat und auf keinen Fall eine schlechtere Hand vertreiben will. Da er obendrein auch noch Position hat, kann er dafür sorgen, dass in jeder Setzrunde Chips in den Pott wandern.
Hinter Josephy macht Vayo den Overcall, was für eine ziemlich starke Hand spricht. Für einen Overcall braucht man eine bessere Hand als für einen normalen Call, daher kann man davon ausgehen, dass Vayo zumindest einen König (KQ, KJ, KT) hat.
Hosen runter auf dem Turn
Der Turn bringt die 4♦, die zwar noch nichts an den Kräfteverhältnissen ändert, aber ein wenig unangenehm ist, da ein Ass auf dem River oder ein drittes Karo die Hand auf den Kopf stellen könnte.
Vayo checkt erneut, und Nguyen gibt die Hand angesichts der enormen Stärke, die seine Gegner gezeigt haben, korrekt auf.
Josephy setzt mit seinem Set völlig zu Recht, da er fast immer die beste Hand hat und von einem König Chips bekommen möchte.
Vayo nimmt sich danach ungefähr zwei Minuten Zeit, ehe er mit 74 Millionen All-In geht. Nguyen foldet recht rasch, aber Josephy callt trotz offensichtlicher Verunsicherung recht schnell.
An dieser Stelle muss er sich Gedanken machen, mit welcher Hand Vayo so spielen kann. Während AK und KK aufgrund der Action vor dem Flop ausgeschlossen werden können, da Vayo Raise und Reraise nur callte, ist 33 die Hand, die sich sofort aufdrängt.
Vayo callte vor dem Flop erst einen Raise, dann einen Reraise, machte auf dem Flop den Overcall und schiebt jetzt alle Chips in die Mitte – das bedeutet, dass 33 die einzige Value Hand ist, die er haben kann, denn ein so tighter Spieler wie er würde mit KQ oder KJ niemals so spielen, sondern allenfalls callen (zumal der K♦ auf dem Board liegt und eine Hand mit Top Pair plus Flush Draw nicht möglich ist, die für einen Semi-Bluff geeignet wäre).
Damit bleibt als einzige Alternative zu 33 ein Bluff. Jedes Spektrum, selbst das eines so tighten Spielers wie Vayo, enthält normalerweise Bluffs, und natürlich könnte Vayo sein Image genau in diesem Moment für einen Monster-Bluff ausnutzen wollen, aber dafür braucht er dennoch eine plausible Hand, die bis zu diesem Punkt gekommen ist.
Es gibt keine. Entscheidend dafür, dass Vayo keinen Bluff haben kann, ist nicht nur seine Spielweise auf dem Flop, wo er overcallte und damit schon enorme Stärke (mindestens einen König) demonstrierte, sondern auch die Tatsache, dass mit Nguyen noch ein Spieler hinter ihm sitzt, der callen kann. Ein Monster-Bluff gegen zwei Leute bei diesem Handverlauf ist für diesen Spieler schlicht auszuschließen.
Fazit
Cliff Josephy hätte in dieser irren Hand tatsächlich den Fold finden und 54 Millionen (seinen halben Stack!) sparen können – ein seltener Fall mit einem Set.
Offenbar konnte sich der ehemalige Chipleader nach dem berauschenden Treffer auf dem Flop nicht mehr mit der neuen Situation arrangieren, obwohl an den Fernsehbildern eindeutig zu sehen ist, dass er die gegnerische Hand im Grunde erkannte.
Gordon Vayo erwischte hier einmal mehr einen perfekten Spot, bei seinem Glück hätte er eigentlich den Titel holen müssen.