Das teuerste Turnier des Jahres ist entschieden. Beim Big One for One Drop versammelten sich 42 Highroller und spielten eine Siegprämie von über 15 Millionen Dollar aus. Während Daniel Colman gewann, holten sich mit Tobias Reinkemeier und Christoph Vogelsang auf den Plätzen 5 und 3 immerhin zwei Deutsche Preisgeld ab. Reinkemeier sorgte gleichzeitig mit einem spektakulären Fold gegen Scott Seiver für die aufregendste Hand des Turniers. Ihren Verlauf wollen wir in der Hand der Woche nachzeichnen.
Ausgangslage
Gespielt wird die 13. Hand des Final Tables des Big One, für das 1 Million Dollar Startgeld entrichtet werden musste. In der ersten Hand platzte die Bubble, als Tom Hall einen Coinflip gegen Daniel Negreanu verlor und wenige Hände später schied auch Cary Katz aus.
Sieben Spieler sind also noch im Turnier, sie alle haben schon gut 1,4 Millionen Dollar sicher, doch jagen natürlich alle die lebensverändernden Preisgelder auf Platz 1 und 2. Die Blinds betragen 300.000/600.000 bei einem Ante von 75.000.
Scott Seiver ist mit 9,5 Millionen Chips neben Christoph Vogelsang der Short Stack am Tisch. Tobias Reinkemeier hat gerade einen Coinflip gegen Paul Newey verloren und diesen aufgedoppelt. Dennoch liegt er mit 14,5 Millionen noch gut im Rennen.
Action bis zum River
Seiver raist vom Hijack auf 1,2 Millionen, alle folden, aber Reinkemeier callt im Big Blind. Im Pot sind 3,3 Millionen Chips. Der Flop bringt
Reinkemeier checkt, Seiver setzt 1,5 Millionen und Reinkemeier callt. Im Pot sind 6,3 Millionen Chips. Der Turn bringt den
Reinkemeier checkt, Seiver geht mit 6.8 Millionen All-In und Reinkemeier fängt an zu grübeln. Nach einigen Minuten steht er auf, beginnt mit Seiver zu reden, setzt sich wieder hin, denkt noch einige Minuten nach und foldet schließlich.
Er behauptet, Asse gehabt zu haben, und als die anderen Spieler es nicht glauben, holt er die Karten wieder aus dem Muck und zeigt
Seiver zeigt darauf ebenfalls seine Karten. Er hatte einen Bluff mit
Analyse und Bewertung
Es sieht immer ziemlich unglücklich aus, wenn man wie Tobias Reinkemeier Asse foldet und falsch liegt. Dennoch wollen wir die Situation einer Analyse unterziehen und auch die speziellen Umstände berücksichtigen.
Schauen wir uns die Hand aus Reinkemeiers Perspektive noch einmal an. Nach Seivers Raise auf 1,2 Millionen entscheidet sich Reinkemeier, mit seinen Assen nur zu callen und eine Falle aufzustellen. Sicher haben ihn dazu auch die Stackgrößen bewogen. Da Seiver mit lediglich 16 BB sehr short ist, müsste Reinkemeier ihn mit einem Reraise All-In setzen, da jeder andere Reraise diesen ohnehin Pot-commiten würde, aber förmlich nach Monster schrie. Mit dem All-In würde er aber einen großen Teil des Spektrums von Seiver zum Folden bringen, der hier natürlich aus dem Hijack mit recht vielen Händen raist.
Reinkemeier entschließt sich daher zu einem Call, mit dem er den Gewinn in der Hand maximieren will. Der Flop bringt mit Q♠ 4♣ 2♣ ein ziemliches trockenes Board, das Seiver in den meisten Fällen verpasst hat. Reinkemeier checkt und lässt Seiver setzen. Der bringt die C-Bet und Reinkemeier callt. Viele Spieler würden hier raisen, um ihre Hand zu beschützen und einen Semi-Bluff vorzutäuschen. Abermals brächte Reinkemeier damit aber fast alle schlechteren Hände Seivers zum Folden und müsste sich mit einem Gewinn von 2,7 Millionen Chips begnügen. Da er den gesamten Stack haben will, checkt er.
Der Turn bringt mit dem J♣ eine Karte, die Reinkemeier gewiss nicht sehen wollte. Er hat kein Kreuz in der Hand und ist daher Drawing Dead, falls sein Gegner einen Flush hat. Getreu seinem Plan checkt er wieder zu Seiver und der Amerikaner geht mit einer Bet in ziemlich genau Potgröße All-In.
Einerseits ging Reinkemeiers Plan auf, dennoch haben sich die Geschehnisse anders entwickelt, als gewünscht. Das Konzept des Deutschen, Seiver setzen zu lassen und ihn stumpf herunterzucallen, ist durch die Entwicklung des Boards ins Wanken geraten.
Schauen wir uns zunächst die Faktenlage an. Im Pot sind 13,4 Millionen Chips und Reinkemeier muss 6,8 Millionen bezahlen, er bekommt also Pot Odds von 1,93 zu 1.
Das sind gute Pot Odds, hinzu kommt, dass Reinkemeier beim Verlust der Hand zwar einen schweren Rückschlag hinnehmen müsste, aber nicht ausgeschieden wäre. Mit 5 Millionen Chips hätte er mit 9 BB durchaus noch Chancen.
Die entscheidende Frage aber lautet, wie gut dieses Board tatsächlich Seivers Spektrum geholfen hat. Gehen wir davon aus, dass Seiver vielleicht mit etwa 200 Kombinationen bzw. etwa 16 Prozent seiner Hände aus dem Hijack raiste. Sein Spektrum sieht dann ungefähr so aus:
33+, ATo+, A7s+, A5s, KJo+, K9s+, Q9s+, J9s+, T9s
Aus diesem Spektrum schlagen Reinkemeier folgende Hände:
QQ, JJ, 44 und 22 für Sets: 12 Kombinationen
QJ für Two Pair: 9 Kombinationen
A♣ K♣, A♣ Q♣ A♣ T♣, A♣ 9♣, A♣ 8♣, A♣ 7♣ und A♣ 5♣: 7 Kombinationen
K♣ Q♣, K♣ T♣, K♣ 9♣: 3 Kombinationen
Q♣ T♣, Q♣ 9♣: 2 Kombinationen
T♣ 9♣: 1 Kombination
Das sind 34 Kombinationen, also nur 17 Prozent des ungefähren Spektrums von Scott Seiver. Selbst wenn man eine gewisse Unschärfe und noch mehr Suited Connectors bis hin zu 54s einrechnet, spricht dies eindeutig für einen Call.
Das Board ist außerdem sehr günstig für einen Bluff oder Semi-Bluff, was die Hand von Seiver ja auch zeigt. Im konkreten Fall hat Seiver mit seiner Hand gerade einmal 13,6 Prozent Pot Equity. Unterm Strich spricht analytisch alles für einen Call, doch mag es Gründe wie Körpersprache oder sonstige Tells gegeben haben, derentwegen Reinkemeier seinen Plan auf der Zielgeraden änderte.
Fazit
In einer wichtigen Hand des Big One for One Drop kommt es zu einer schwerwiegenden Konfrontation zwischen Tobias Reinkemeier und Scott Seiver. Reinkemeier lockt den Amerikaner in die Falle, der tappt hinein, kommt aber dennoch ungeschoren davon.
Mit einem Call hätte Reinkemeier seinen Stack auf über 23 Millionen Chips ausbauen und zu den Chipleadern aufschließen können. So verlor er in dieser Hand 2,7 Millionen Chips (ca. 20 Prozent seines Stacks) und schied nicht viel später als Fünfter aus.
Ob die enormen Preisgeldsprünge, die es beim Big One gab, eine Rolle bei Reinkemeiers Fold spielten, weiß nur der Spieler selbst. Rein mathematisch wäre ein Call richtig gewesen.
Diese Analyse ist leider vollkommen unbrauchbar, da unvollständig. Scott wird ja nicht mit 100% seiner Range den Flop betten, und dann wiederum nicht mit 100% seiner Flop-Bet-Range den Turn shippen. Am Turn werden sicher gute Value-Hände und gute Draws von Scott geshippt, aber sicher keine Hände wie zB 66 oder A8s (no club). Dann muss man die Equity der Turn-Ship-Range mit Tobias Pot-Odds vergleichen. Sorry, die Analyse ist ziemlich enttäuschend OC