Schon vor zwei Jahren war Anton Morgenstern ganz nah dran, sich für die November Nine zu qualifizieren. Damals verlor er als Chipleader mit einer vieldiskutierten Hand den Großteil seines Stacks, und wohl die wenigsten hätten vermutet, dass er dem wichtigsten Finaltisch des Jahres noch einmal so nah kommen würde. Tatsächlich schaffte er es zwei Jahre später erneut in Tag 7 – doch wieder schied er kurz vor dem Ziel aus und weckte mit seiner letzten Hand Erinnerungen an damals.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wie erwähnt, befinden wir uns an Tag 7 des WSOP Main Event 2015. Noch 22 Spieler sind dabei, die Blinds betragen 80.000/160.000 plus 20.000 Ante.
Der nächste Preisgeldsprung ist bei Platz 18, für den es rund $60.000 mehr gibt, als alle Spieler bereits sicher haben.
Anton Morgenstern hat nach aktivem Spiel und dem Verlust seines halben Stacks seit Beginn von Tag 7 noch rund 3,2 Millionen Chips, also 20 BB. In mittlerer Position bekommt er nach lauter Folds
und raist damit auf 325.000. Im Cut-Off callt Pierre Neuville, doch Marco Sequeira (14.500.000 Chips) reraist auf dem Button auf 1.125.000. Damit nicht genug. Josh Beckley im Big Blind geht mit seinen letzten 3.225.000 und einer sogenannten Cold 4-Bet All-In. Morgenstern callt, und auch Sequeira callt.
Beckley zeigt
und Sequeira hat
Das Board bringt
Beckleys Könige halten – er verdreifacht und erreicht später die November Nine. Sequeira fällt auf 11.200.000 zurück und Morgenstern scheidet erneut aus.
Analyse und Bewertung
Bevor wir uns näher mit dieser Hand befassen, noch einmal ein Blick zurück. 2013 hatte Morgenstern als Chipleader einen Monster-Pot gegen Mark Newhouse verloren und damit den Anfang vom Ende eingeläutet.
Wenig später schied er als 20. aus, nachdem er den Tag als klarer Chipleader begonnen hatte.
Dieses Mal ist die Situation eine andere, denn Morgenstern steht mit 20BB unter Druck und muss nach schwachem Start wieder in die Spur finden, wenn er das große Ziel, die November Nine, erreichen will.
Mit Pocket Zehnen bekommt er in mittlerer Position die fünftbeste Starthand und bringt damit einen Standard-Raise auf etwas mehr als 2BB.
Man beachte an dieser Stelle, dass ein Spieler, der hinter Morgenstern reraist, automatisch pot-committed ist, wenn Morgenstern per 4-Bet All-In geht.
Mathematisch sieht das so aus: In einem Pot mit 380.000 Chips raist Morgenstern auf 325.000, die 3-Bet läge etwa bei einer Million und nach Morgensterns All-In wären etwa 4,6 Millionen im Pot und der 3-Bettor müsste rund 2,2 Millionen nachzahlen – klarer Call mit Pot Odds von mehr als 2 zu 1.
Doch hätte Morgenstern mit dieser Hand gegen ein solches Szenario nichts einzuwenden. Er hat wie erwähnt die fünftbeste Starthand überhaupt und liegt gegen das 3-Bet-Spektrum seiner Gegner sicher nicht hinten.
Ganz so trivial verläuft diese Hand aber nicht. Auf dem Button reraist Marco Sequeira nach einem Call von Pierre Neuville auf 1,125 Millionen, und hinter ihm pusht Joshua Beckley seine letzten 3,2 Millionen oben drüber.
Der verhängnisvolle Call
An dieser Stelle hätte Morgenstern ins Grübeln geraten sollen. Noch gibt es keine bewegten Bilder vom Main Event, daher wissen wir nicht, wie lange sich der Berliner mit seiner Entscheidung Zeit ließ.
Doch davon unabhängig wäre hier ein Fold die richtige Entscheidung gewesen. Beckleys Spektrum ist extrem stark. Er bringt hier gegen Raise und Reraise eine Cold 4-Bet (in diesem Fall sogar einen Reraise gegen drei aktive Spieler), und er hat aus oben genannten Gründen keinerlei Fold Equity gegen Sequeira.
Beckleys Spektrum enthält Minimum JJ+ und AK – das sind 40 Kombinationen (je sechsmal AA, KK, QQ und JJ sowie 16mal AK), gegen die Pocket Zehnen gerade einmal 33 Prozent Equity hat.
Das würde sogar reichen, wenn man nur die Pot Odds zurate zieht, doch es gibt noch Marco Sequeira, der fast sicher callen wird. Sequeira bekommt Pot Odds von mehr als 3,5 zu 1 und hat auch nach einer Niederlage noch einen intakten Stack.
Gegen das kombinierte Spektrum von Beckley und Sequeira schneiden die Zehnen von Morgenstern leider sehr schlecht ab – daher wäre ein Fold korrekt gewesen.
Fazit
Wieder scheitert Anton Morgenstern auf der Zielgeraden zu den November Nine. Und wie 2013 wurde ihm eine Fehleinschätzung zum Verhängnis, die allerdings nicht so krass wie damals war.