Maria Konnikova hat bereits zwei populärwissenschaftliche Bücher geschrieben, die erklären, wie unser Gehirn funktioniert und wie man es austricksen kann.
Mastermind: How to Think Like Sherlock Holmes (dt: Die Kunst des logischen Denkens: Scharfsinnig analysieren und clever kombinieren wie Sherlock Holmes) und The Confidence Game: Why We Fall for It … Every Time (dt: Täuschend echt und glatt gelogen: Die Kunst des Betrugs) stießen auf Begeisterung bei den Kritikern.
Konnikova schreibt regelmäßig Kolumnen für die New York Times und will ihre psychologischen Fähigkeiten jetzt einsetzen, um das Pokerspiel zu erlernen und das Spiel für ihr nächstes Buch als eine Metapher auf das Leben zu erkunden.
Das Interview
In Monaco arbeitete sie im Rahmen des PokerStars-Championships an beiden Aspekten dieses Versuchs und unser Kollege Dirk Ötzmann von PokerListings.com hat sich mit ihr getroffen.
PokerListings: Kannst du uns dein neues Projekt vorstellen?
Maria Konnikova: Es geht um meine Reise mit Erik Seidel von null bis zu „hoffentlich nicht null“. „Null“ heißt, keine Ahnung von Poker zu haben.
No-Limit-Hold'em benutze ich als Metapher für das Leben und ich erforsche, wie viel in unserem Leben Können ist und wie viel Glück. diese Frage hat mich schon sehr lange interessiert.
Wir alle wissen, dass Menschen sehr schlecht darin sind, Entscheidungen zu treffen, aber können wir uns vielleicht ein wenig verbessern? Viele Leute sprechen darüber, was schief läuft, fragen aber nicht, was sie tun können, damit es besser läuft. So bin ich bei Poker gelandet.
PL: Es war also Psychologie, die dich zum Pokerspiel gebracht hat?
MK: Genau. Ich habe angefangen über Poker zu lesen und merkte sehr schnell, dass man insbesondere Texas-Hold'em als eine Art Metapher für das gesamte Leben begreifen kann. Das ganze Leben ist ein No-Limit-Spiel und man kann jederzeit all-in gehen.
Im groben und ganzen gibt es zwei verschiedene Arten von Pokerspielern. Es gibt die mathematischen Spieler und es gibt die psychologischen Spieler. Mathematik ist dieser Tage mehr in Mode und gerade die jungen Spieler sind Meister der Statistiken. Aber als ich anfing, suchte ich mir einen Coach, der meine Stärke hervorheben kann. Und diese ist die Psychologie.
Ich werde kein Mathegenie innerhalb von ein oder zwei Jahren und so habe ich mir einen erfolgreichen psychologischen Spieler gesucht. Er musste auch nett sein, denn viele Pokerspieler sind nicht unbedingt die umgänglichsten Zeitgenossen.
PL: Und so bist du auf Erik Seidel gestoßen?
MK: Ich habe eine Menge Pokervideos gesehen und dabei fiel mir Erik auf. Ich habe natürlich nicht verstanden, wie er spielte, aber ich sah, dass er der Spieler ist, den ich suchte. Ich habe ihn kontaktiert und er hat zugestimmt. Ich denke, es ist auch für ihn eine Herausforderung, mich findet für das höchste Poker-Level zu machen.
PL: Die Idee, dass Poker eine Metapher für das Leben ist, ist nicht ganz. Was ist dein Ansatz?
MK: Das stimmt, die Idee ist überhaupt nicht neu. Was ich in dieses Spiel bringe ist, dass ich ein kompletter Outsider bin. Ich habe das Spiel nie aus Spaß am Spiel gespielt und komme mit einer völlig anderen Perspektive.
Jetzt liebe ich das Spiel wegen seiner strategischen und intellektuellen Herausforderungen und einer meiner Studienschwerpunkte waren Entscheidungsfindungen. Das hat kein anderer Psychologe gemacht.
PL: Sollte Poker vielleicht sogar Pflicht für Psychologie-Studenten sein?
MK: Ich denke, es sollte Pflicht für sehr viel mehr als nur Psychologie sein. Ich habe nicht nur Leidenschaft für das Spiel entwickelt – je mehr ich spiele und lerne, desto mehr realisiere ich, wie gut Poker geeignet ist, Leuten beizubringen, wie man bessere Entscheidungen trifft.
Ich habe in den USA bereits bei mehreren Politikern ins Gespräch gebracht, dass man Poker an den Grundschulen einführen sollte, denn damit kann man Kindern beibringen, wie man rational richtige Entscheidungen trifft.
Poker ist diesbezüglich auch viel besser geeignet als Schach. Denn wenn es um Entscheidungen geht, hat man sowohl beim Poker als auch im richtigen Leben nur unvollständige Informationen, wohingegen beim Schach der komplette Spielzustand jederzeit bekannt ist.
PL: Und ist Schach nicht auch das einzige Spiel, bei dem kein Glück involviert ist?
MK: Keineswegs, wie beim Leben spielt auch beim Schach Glück eine Rolle. Klar, es gibt immer genau eine richtige Entscheidung beim Schach, aber Glück äußert sich zum Beispiel in der Form, dass einer der Spieler müde ist, weil er letzte Nacht schlecht geschlafen hatte.
Beim Poker ist das wegen der unvollständigen Information nicht ganz der Fall.
PL: Bist du hier in Monaco für dein Buch, oder um dein Pokerspiel zu verbessern?
MK: Beides. Es geht darum, mein Pokerspiel zu verbessern, weil das zum Konzept meines Buches gehört. Wenn ich beim Poker eine völlig taube Nuss bin und nicht besser werde, habe ich nicht die richtigen psychologischen Lektionen gelernt und es funktioniert nicht.
Das ist quasi ein voller Kreislauf. Ich komme mit Psychologie zum Poker, um dann meinen Entscheidungsfindungsprozess außerhalb von Poker zu verbessern.
Das menschliche Gehirn ist sehr schlecht mit Statistiken, aber sehr gut darin, von Erfahrung zu lernen. Gibst du Menschen nur statistische Informationen, lernen sie nichts. Machen Sie aber Erfahrungen, dann schon.
In unserem Leben sind Erfahrungen aber oftmals verzerrt. Ich zum Beispiel lebe in New York. Versuche dort einmal, jemandem, der 9/11 erlebt hat, zu erzählen, dass Terrorismus keine große Gefahr ist und dass man einem größeren Risiko ausgesetzt ist, in der Badewanne zu fallen und sich den Kopf aufzuschlagen. Man kann diesen Leuten Statistiken vorhalten, bis ihr Gesicht blau wird, aber sie werden das nicht intern realisieren können, denn die Ereignisse vom 11. September hatten einen so immensen Einfluss auf ihr Leben.
Beim Poker jedoch wird man gezwungen, verzerrte Erfahrungen statistisch gerade zu ziehen. Man muss lernen und begreifen, dass es Können und Glück gibt – und das ist ein ziemlich guter Spiegel auf das Leben.
PL: Wie sieht es mit deiner persönlichen Lernkurve aus? Jeder ist am Anfang richtig schlecht, bist du über dieses Level schon hinaus?
MK: Ich glaube, am Anfang gilt, dass man erst einmal mit jedem Schritt realisiert, wie schlecht man eigentlich ist. Erst dachte ich noch, ich sei gar nicht so schlecht, aber je mehr ich lernte, desto komplizierter und komplexer wurde das Spiel und jeder Entscheidung hatte mehr und mehr Ebenen – fast wie im richtigen Leben, nicht wahr?
Von den Ergebnissen her lief es ganz gut. Ich habe vier Turniere gespielt und gleich zweimal die Geldränge erreicht. Mein Coach ist zufrieden, aber er spielt die €100k-Turniere und wir haben uns nicht so viel gesehen, denn es wäre Geldverschwendung, spielte ich diese Turniere.
Wenn ich auf einem Level gut genug werde, werde ich zum nächsten aufsteigen.
PL: Wirst du mit dem Pokerspiel aufhören, wenn dein Buch fertig ist?
MK: Das weiß ich noch nicht genau, aber im Moment fühlt es sich eher so an, dass ich ein wenig weiter spielen werde. Das Spiel fasziniert mich und ich wüsste nicht, warum ich aufhören sollte. Ich werde allerdings nicht wie jetzt Vollzeit spielen. Aber wenn ich der Meinung bin, dass Poker hilft, bessere Entscheidungen zu treffen, warum sollte ich damit aufhören?