Unser Interview mit Nick “caecilius” Petrangelo mit wichtigen Anfägen-Tipps und Fehlervermeidung beim No-Limit Hold’em. Und danach präsentieren wir die wichtigsten Standardsituationen bei No-Limit Hold’em vor dem Flop, auf dem Flop und auf dem Turn.
Allein im Jahr 2015 gewann Nick “caecilius” Petrangelo über 3,4 Millionen Dollar mit Poker. Ja, das ist ein irrer Betrag. Er hat die Sunday Million auf PokerStars gewonnen. Er hat ein WSOP-Bracelet geholt und im letzten Jahr neunmal sechsstellig gecasht.
Kürzlich reiste er nach Florida, um bei der WPT ein paar Dollar dazuzuverdienen. So schlecht stellte er sich dabei auch gar nicht an. Er gewann just das $2.200 8-Max-Turnier für etwas über 90.000 Dollar.
Was ist sein Erfolgsgeheimnis? Welche Ratschläge würde er anderen Spielern geben? Was würde er machen, hätte er 10.000 Stunden Zeit, etwas anderes zu lernen?
Interview mit Nick “caecilius” Petrangelo
Wir haben ihm all diese Fragen gestellt:
Wer ist dieser Nick Petrangelo und wie kam er dazu, Poker zu spielen?
ich bin in einer kleinen Stadt in Westmassachusetts aufgewachsen. In jungen Jahren habe ich extrem viel Hockey und Golf gespielt und das waren meine Leidenschaften.
Mit 14 ging ich auf’s Internat in Connecticut. Das hieß Loomis Chaffee und ich wollte auf College-Level dem Sport nachgehen. Am Ende landete ich im Skidmore College in new York und dort machte ich einen Doppelabschluss in Wirtschaft und Business.
Schon im Internat hatte mich das Spiel und die Psychologie von Poker interessiert und mein Zimmergenosse stellte mir seinen Freund aus Kindertagen vor. Dabei handelte es sich um Jonathan Jaffee.
Damals spielte sich Jaffee grade in den Heads-Up-Sit-And-Gos auf PokerStars durch die Limits nach oben und ich war sofort beeindruckt von seinem Erfolg. Ich wollte ihm unbedingt sofort beim Spielen zusehen.
Irgendwann stimmte er dem zu, ich durfte ihn spielen sehen und daraus erwuchs ein Coaching- und Staking-Deal für Low-Stakes-Turniere. Er hat mich mehrere Jahre gecoacht und irgendwann für die teuersten Live- und Online-Turniere gestaked.
Inzwischen staked er mich nicht mehr, aber er ist nach wie vor einer meiner besten Freunde und mein erster Ansprechpartner, wenn es um Poker geht. Ohne Jonathan würde ich definitiv nicht professionell pokern.
Wie war dein Spiel vor fünf Jahren?
Vor fünf Jahren war mein Spiel noch lange nicht so robust wie es jetzt ist. Man konnte mich leichter ausspielen und ich machte einige krasse ICM-Fehler in späten Turnierphasen.
Wegen der Evolution der Highstakes-Turnier war ich gezwungen diese Fehler auszumerzen und mein Spiel auf eine bessere mathematische Grundlagen zu stellen.
Und vor zwei Jahren?
In den letzten zwei Jahren spielte ich wesentlich robuster als zuvor. Ich habe ein besseres Verständnis, wann es besser ist, von der mathematisch korrekten Spielweise abzuweichen und ich gehe inzwischen mit Situationen dann um, wenn sie kommen, anstatt irgendetwas erzwingen zu wollen.
Was ist der größte Fehler den Anfänger preflop machen?
Im allgemeinen denke ich, Anfänger und Freizeitspieler sind oft zu passiv, wollen zu viele Flops sehen, callen wenn sie all-in gehen sollten und 3- oder 4-betten zu wenig.
Und auf dem Flop?
Ein typischer Anfängerfehler ist, dass die Spieler zu früh gegen einfache Aggression aufgeben obwohl sie genügend Equity für einen Call oder einen Semi-Bluff haben.
Ein anderer Fehler ist natürlich, dass einige es genau andersrum machen: Sie callen mit einer schwachen Hand und haben keinen Plan, wie es weitergehen soll.
Und auf dem Turn?
Eine klassische Anfänger-Line ist es, dass sie Flop und River setzen, wenn sie eine typische mittelstarke Hand haben, also eine Hand die nur für zwei Value-Bets gut ist. Sie wollen erst einmal sehen, dass das Board nicht zu gefährlich wird und setzen deswegen den River und nicht den Turn.
Dabei sollten sie in der Regel den Turn und nicht den River setzen. Ich sehe das so häufig bei unerfahrenen Spielern, aber so können sie zum einen kaum Bluffs repräsentieren und zum anderen werden sie kaum für mehr als eine Value-Bet ausgezahlt.
Und der typische River-Fehler?
Wenn sie einem Bet ausgesetzt sind, verfallen viele Spieler automatisch in den Modus, entweder callen oder folden zu wollen und sie geben sehr deutlich die Information preis, dass sie nicht raisen werden.
Damit nehmen sie sich – nur weil sie es gar nicht in Erwägung ziehen – die Chance, ihre Hand in einen Bluff zu verwandeln, was manchmal aber die beste aller Optionen ist.
Haben dir irgendwelche Nicht-Poker-Bücher bei deiner Karriere geholfen?
Als ich im College Hockey gespielt habe, empfahl mir mein Trainer das Buch Mind Gym. Ich habe es vor ein paar Jahren nochmals gelesen und es half mir, Entscheidungen Hand für Hand zu treffen und nicht zu vorschnell zu handeln.
Was siehst du, wenn du die Pokerwelt anschaust?
Dieser Tage wandelt sich alles zum Live Poker: Turniere und Cashgames. Online Poker spielt bei Profis eine immer kleinere Rolle. Dadurch wird die Online-Generation freundlicher und auch persönlicher am Tisch. Größtenteils lachen die Leute, machen Scherze und sprechen sehr viel.
Was ist ein guter Ratschlag für Amateure?
Macht es nicht zu kompliziert, denkt nicht zu viel beim Spiel gegen sogenannte Profis nach. Viele Amateurspieler die ich treffe, sind sehr gewieft und können es sich deswegen leisten, Poker zu spielen, weil sie in anderen Lebensbereichen erfolgreich sind.
Ich glaube, viele Leute haben die intellektuellen Möglichkeiten, Poker auf einem hohen Niveau zu spielen, sind sich aber selbst im Weg, da sie es komplizierter machen, als es sein müsste.
Wenn man dir 10.000 Stunden gäbe, um etwas anderes zu machen, was wäre das?
Ich würde zurück zur Uni gehen und einen Master-Abschluss in Englisch machen. Englisch war meine erste und einzige akademische Leidenschaft und ich habe es hinten angestellt, um meinen Abschluss in Wirtschaft zu machen. Ich war damals überzeugt, ich brauchte das für einen Job.
Ich würde irgendwann gerne wieder zurück ins Internat, dort Englisch unterrichten und Hockey-Coach werden. Vielleicht irgendwann in der Zukunft!
Die wichtigsten Standardsituationen beim No-Limit Hold’em
Beim Poker gibt es Situationen, die immer wieder auftauchen und deshalb zum täglichen Brot gehören. Wer in diesen Konstellationen zuverlässig die richtigen Entscheidungen trifft, gehört am Ende zu den Siegern und ist all denen überlegen, die falsch liegen. In unserer Artikelserie präsentieren wir die wichtigsten Standardsituationen bei No-Limit Hold’em vor dem Flop, auf dem Flop und auf dem Turn.
Standardsituationen vor dem Flop
1. Paar gegen Overcards – Der sogenannte Coinflip
Beispiele:
gegen
oder
gegen
Eine der verbreitetsten Situationen beim Poker ist nur scheinbar ein Coinflip, also ein Münzwurf mit 50 zu 50 Gewinnchancen.
In der Realität sieht es etwas anders aus. Meist liegt das Paar recht deutlich vorn, wie etwa QQ gegen AKo mit 57 zu 43, manchmal aber auch knapp hinten wie etwa ein niedriges Paar gegen JTs.
Tipp: Coinflips sind das tägliche Brot des Turnierspiels. Einfach reinstellen und nicht nachdenken, auf Dauer gleichen sich Glück und Pech aus.
2. Höheres Paar gegen niedrigeres Paar – Oje, oje
Beispiele:
gegen
oder
gegen
Besonders bitter sieht es für die unterlegene Partei in diesem Fall aus, denn das höhere Paar ist immer mit etwa 82 zu 18 Favorit. Da hilft nur noch beten.
Tipp: Je niedriger ein Paar ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Hand dominiert wird. Bei Achten spaltet sich das Lager in gute und schwächere Paare auf.
3. Hand mit besserem Kicker gegen Hand mit schlechterem Kicker – Gar nicht so schlimm
Beispiele:
gegen
oder
gegen
Nicht so schlimm, wie viele denken, ist es, wenn man von einem besseren Kicker dominiert wird. Die bessere Hand hat etwas mehr als 70 Prozent Siegchance, aber das bedeutet, dass die schwächere Hand in fast einem von drei Fällen gewinnt.
Je niedriger der Kicker ist, desto geringer übrigens die Wahrscheinlichkeit, dass es sich auswirkt, da es öfter zum Split Pot kommt.
Tipp: Mit schwächerem Kicker sollte man immer aufpassen, dass man nicht dominiert wird. Schlimmer ist es aber, mit einem niedrigeren Paar in ein höheres zu rennen.
4. Paar gegen eine Hand mit einer höheren und einer niedrigeren Karte – Lieber nicht…
Beispiele:
gegen
oder
gegen
Ebenfalls unerfreulich für die unterlegene Partie ist es, wenn man nur eine höhere Karte als das gegnerische Paar hat. Die Siegchancen liegen dann nur noch bei 27 bis 32 Prozent – also immerhin mindestens jedes vierte Mal.
Tipp: Gerade mit einem schwachen Kicker sollte man vorsichtig sein. Statt eines Coinflips kann es leicht passieren, dass man nur eine aktive Karte hat.
Standardsituationen auf dem Flop
1. Top Pair gegen Flush Draw bzw. Straight Draw – Kommt drauf an
Beispiele:
gegen auf einem Flop von
oder
gegen auf einem Flop mit
Diese Situationen sind in etwa so typisch wie der Coinflip vor dem Flop. Sehr wichtig dabei ist, dass der Draw noch zwei Chancen auf einen Treffer hat und damit eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Vervollständigung. Der Flush Draw im oberen Beispiel hat dank der Overcard 45 Prozent Gewinnchance, während der Straight Draw nur 33 Prozent hat.
Tipp: Wichtige Grundlage für jeden Draw sind die Pot Odds. Reichen sie aus, kann man profitabel weiterspielen.
2. Top Pair gegen niedrigeres Paar – Klarer Vorteil
Beispiel:
gegen auf einem Flop von
Diese Konstellation ist ungefähr so übel wie ein Overpair gegen ein Underpair vor dem Flop. Die bessere Hand gewinnt in etwa 80 Prozent der Fälle.
Tipp: Vorsicht mit allen Paaren unter Top Pair. Sie haben wenige Chancen auf Verbesserung und liegen oft hinten.
3. Top Pair mit besserem Kicker gegen Top Pair mit schlechterem Kicker – Hoch überlegen
Beispiel:
gegen auf einem Flop von
Noch mieser als mit einem niedrigeren Paar sieht es mit dem niedrigeren Kicker aus. Daran erkennt man, wie wertvoll ein guter Kicker ist, bzw. wie gefährlich ein schwacher Kicker ist. Die bessere Hand hat hier ungefähr 83 Prozent, ist also sehr klarer Favorit.
Tipp: Vorsicht mit allen Top Pairs mit schwachem Kicker. Je niedriger der Kicker ist, desto öfter liegen sie hinten.
4. Set gegen Top Pair – Fast entschieden
Beispiel:
gegen auf einem Flop mit
Klarer geht es fast nicht. Ein Set ist gegen Top Pair etwa 96 zu 4 Favorit und liegt damit fast uneinholbar vorne. Je besser das Top Pair ist, desto schwerer wird es, sich davon zu verabschieden. Ein Grund, warum Sets so extrem profitable Hände sind.
Tipp: Mit einem gefloppten Set ist man fast sicher auf der Siegesstraße. Umgekehrt ist man gegen ein Set so gut wie verloren.
5. Set gegen Flush Draw bzw. Straight Draw – 3 zu 1
Beispiel:
gegen auf einem Flop mit
Eine ziemlich klare Sache ist diese Konstellation. Das Set ist 3 zu 1 Favorit, aber die Pot Odds und Implied Odds sind meist so gut, dass der Draw profitabel callen kann. Dennoch: Ein Set ist auf dem Flop gegen einen Draw immer vorn.
Tipp: Mit einem gefloppten Set ist man immer Favorit, zumal man durch ein gepairtes Board auch immer Chancen auf den Redraw hat, wenn der Gegner trifft.
6. Set gegen Monster Draw (Kombination aus Flush Draw und Straight Draw) – Trotzdem vorn
Beispiel:
gegen auf einem Flop mit
Obwohl der Draw hier auf die Straight und den Flush zieht, ist das Set immer noch mit 58 zu 42 Favorit – erstaunlich, oder? Dennoch ist der Draw natürlich eine Bet auf dem Flop wert, da die Pot Odds fast immer ausreichen.
Tipp: Mit einem gefloppten Set ist man sogar Favorit, wenn der Gegner den bestmöglichen Draw hat.
Standardsituationen auf dem Turn
1. Top Pair gegen Flush Draw bzw. Straight Draw – Kommt wieder drauf an
Beispiele:
gegen auf einem Turn mit
oder
gegen auf einem Board von
Der Flush Draw mit Overcard hat jetzt nur noch 28 Prozent, während der Straight Draw sogar unter 20 Prozent fällt. Oft müssen diese Hände daher bei einer hohen Bet gefoldet werden.
Tipp: Prinzipiell ist es wünschenswert, mit einem Draw Turn und River zu sehen. Manchmal jedoch reichen die Pot Odds nicht aus.
2. Top Pair gegen niedrigeres Paar – Fast entschieden
Beispiel:
gegen auf einem Board von
Kommt mit dem niedrigeren Paar keine Hilfe auf dem Turn, hat die Hand kaum noch eine Zukunft. Sie ist gegen eine höheres Paar 11 zu 89 Außenseiter und rechtfertigt damit keine vernünftige Bet.
Tipp: Hände wie Second Pair sind stets mit Vorsicht zu genießen, da ihre Verbesserungsmöglichkeiten sehr gering sind. Das gilt auf dem Turn umso mehr.
3. Top Pair mit besserem Kicker gegen Top Pair mit schlechterem Kicker – Kaum noch Hoffnung
Beispiel:
gegen auf einem Turn mit
Die Probleme mit schlechten Kickern werden immer größer, je weiter die Hand voranschreitet. Die genannte Konstellation bietet nur noch 7 Prozent für den Draw – das bedeutet, dass die Pot Odds nie einen Call erlauben können.
Tipp: Höchste Alarmstufe ist bei einem Top Pair mit unterlegenem Kicker angesagt, da sich Blatt nur noch selten wendet, wenn man zurückliegt.
4. Set gegen Top Pair – Entschieden
Beispiel:
gegen auf einem Board von
Kommt auf dem Turn keine Verbesserung für das Top Pair, ist die Sache entschieden und das Set kann nicht mehr überholt werden. Da hilft auch kein Beten mehr.
Tipp: Mit einem Set hat man ein Top Pair auf dem Turn unwiderlegbar im Griff. Umgekehrt ist man gegen ein Set schlicht verloren.
5. Set gegen Flush Draw bzw. Straight Draw – Kaum noch zu stoppen
Beispiel:
gegen auf einem Turn mit
Eng wird es für den Draw, wenn auf dem Turn keine Hilfe kommt. Dann hat er nur noch 16 Prozent Siegchance, merkt es aber häufig nicht, da die Overcards ebenfalls wie Outs aussehen.
Tipp: Overcards können trügerisch sein und können bei einem Draw nur diskontiert als zusätzliche Outs gezählt werden.
6. Set gegen Monster Draw (Kombination aus Flush Draw und Straight Draw) – Jetzt klarer vorn
Beispiel:
gegen auf einem Board von
Realisiert sich der Monster-Draw auf dem Turn nicht, ist er 30 zu 70 Außenseiter. Das kann von den Pot Odds immer noch locker reichen, da man bei einem Treffer ja noch zusätzliches Geld gewinnen kann. Dennoch ist die Chance natürlich bedeutend geringer.
Tipp: Mit einem Monster Draw sollte man möglichst immer bis zum River spielen, da die Hand so viele Outs hat, dass sich ein Call fast immer lohnt.
Faustregel für Draws im Allgemeinen:
Eine sehr simple, aber hilfreiche Methode, um seine Gewinnchancen auszurechnen, sind die sogenannte Viererregel und Zweierregel. Und so funktionieren sie:
Viererregel: Auf dem Flop multipliziert man seine Outs mit 4, um seine Siegchance zu ermitteln.
Beispiel: Flush Draw mit 9 Outs wird mit 4 multipliziert, ungefähre Siegchance: 36 Prozent.
Zweierregel: Auf dem Turn multipliziert man seine Outs mit 2 und addiert 2, um seine Siegchance zu ermitteln.
Beispiel: Flush Draw mit 9 Outs wird mit 2 multipliziert plus 2, ungefähre Siegchance: 20 Prozent.
Man beachte, dass diese Werte nicht ganz exakt stimmen, da sie auch ein wenig von der gegnerischen Hand abhängig sind (Stichwort Redraws).
Bilder: PokerStars / Card Player