Ihre Qualifikationschancen um 50% verbessern
Pierre Neuville qualifizierte sich für 23 EPT Main Events in Folge auf PokerStars. Hier lesen Sie, wie das funktioniert.
Haben Sie die Bücher von Dan Harrington und seinen ständig Pot-Odds-berechnenden Kollegen gelesen?
Gratuliere. Das ist ein guter Ausgangspunkt.
Dann können Sie das alles jetzt wieder getrost vergessen. Oder fast alles. Um Ihr Spiel auf eine neue Ebene zu hieven und erfolgreich Satellites zu spielen, haben Sie aber nun schon ein paar Voraussetzungen.
Das Geheimnis ist: Es gibt kein Geheimnis!
Sagen Sie es nicht weiter, aber es gibt kein Geheimrezept.
Ich war in der Vergangenheit selbst nur ein durchschnittlicher Spieler. Mein Erfolg basiert hauptsächlich auf akribischer Kleinarbeit. Ich habe Jahre damit verbracht, zu forschen und mich weiterzubilden, um dann eine eigene, erfolgreiche Spieltheorie zu entwickeln.
Haben Sie schon Erfahrung im Turnierpoker und vielleicht auch ein paar gute Ergebnisse erzielt? Haben Sie auch versucht, sich online für Live Events zu qualifizieren, sind aber immer wieder gescheitert?
Vor allem sollten Sie zunächst alles hinter sich lassen, was Sie über Pot Odds wissen und darüber, wie mathematische Berechnungen Ihnen angeblich helfen, Ad-hoc-Entscheidungen zu treffen.
Harrington und Konsorten haben viele kluge Dinge zu diesem Thema geschrieben. Lohnt sich wirklich zu lesen. Und jetzt vergessen Sie’s!
Wenn Sie Qualifier durchstehen wollen, brauchen Sie eine Gesamtstrategie, die Sie an jede Situation und jede Phase eines Qualifikationsturniers anpassen können, um Ihre Chancen zu verbessern.
Schauen Sie sich bitte die folgenden Vorkehrungen an und sagen Sie sich ehrlich, ob Sie sie schon je vor einem Turnier getroffen haben:
1) Klare Organisation. Dazu gehören Stift und Block. Man spielt mit der Maus, aber man qualifiziert sich mit Papier und Kugelschreiber.
2) Klare Zielsetzung. Lassen Sie das Ziel niemals aus den Augen.
3) Berechnung: Statt Pot Odds sollten Sie auf ganz andere Zahlen achten. Ein Beispiel:
Zahl der Spieler im Turnier: 150
Startstack: 3000 Chips
Zahl der Qualifikanten: 9
Chips insgesamt im Turnier: 450.000
Durchschnittstack auf der Bubble: 45.000
Wenn wir eine Hochrechnung anstellen, kommen wir auf eine Spielzeit von ca. 15 Level bzw. 5 Stunden. Danach werden neun Spieler übrig bleiben, deren Stacks zwischen 25.000 und 150.000 Chips liegen.
Das ist die Ausgangslage. Sie sollten sie sich stets vor Augen halten.
4) Das Ziel ist nicht, alle Chips zu gewinnen, oder auch nur möglichst viele.
Das Ziel ist, nicht eliminiert zu werden. Sie wollen nach fünf Stunden unter den letzten neun sein.
5) Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Sie vor allem versuchen, Risiken zu vermeiden, um nicht Gefahr zu laufen, auszuscheiden.
Ihre Entscheidungen hängen nicht von Pot Odds und Statistiken ab, sondern von der Situation.
Die simple Formel des SerialQualifers:
Reduzierung der Risiken = Erhöhung der Qualifikationschancen.
Sie müssen Chips gewinne, um im Turnier zu bleiben, das ist klar. Der schlechteste Weg, um dies zu erreichen, ist der der Coin Flips.
Machen Sie sich folgendes klar: Nach fünf Stunden (bei 20 Minuten Levelzeit also 15 Level) müssen Sie aus Ihren 3000 Chips ca. 45.000 machen, um auf der sicheren Seite zu sein.
In dieser Zeit werden Sie ungefähr 38.000 Chips an Blinds und Antes bezahlen.
Das bedeutet, Sie müssen Ihren Startstack von 3000 auf insgesamt 80.000 Chips ausbauen (42.000 + 38.000 = 80.000).
Etwa ein Drittel Ihrer Chips werden Sie verlieren, weil manche Moves und Spielzüge eben auch schiefgehen.
Damit steigt die Zahl der Chips, die Sie gewinnen müssen, auf 120.000.
Und jetzt bekommen Sie auch eine Ahnung davon, worum es tatsächlich geht!
In einem Qualifier spielen Sie niemals wahllos Hände. Sie haben schließlich ein klares Ziel vor Augen.
AK, AQ: Premiumhände oder Todesfallen?
In einem Qualifikationsturnier ist es von entscheidender Bedeutung, dass man jede einzelne Hand abhängig von der Situation spielt. Nicht die Stärke der Hand ist entscheidend, sondern wie man seine Spielweise taktisch anpasst.
Wir wissen aus dem ersten Teil, dass wir in unserem Qualifikationsturnier innerhalb von fünf Stunden 120.000 Chips gewinnen müssen, um sicher dabei zu sein.
Aber wie soll das gehen?
Do no Harm - Richte keinen Schaden an
In Italien sagt man „primo nocere“, auf Englisch “do no harm”. Heißt so viel wie „richte keinen Schaden an“.
Wie Sie sicher gelesen haben, ist A-K eine Premiumhand. Sie ist sogar die drittbeste Hand, die es gibt. Im Allgemeinen wird A-K heute ganz einfach so gespielt: 3-Bet, $-Bet, all-in. Das Ergebnis ist meistens ein Coin Flip. Also lehnen wir uns zurück, machen die Augen zu und beten. Doppelt oder nichts.
Reicht es aber, mit A-K oder A-Q zu flippen, um aus 3000 Startchips 120.000 zu machen?
Auf keinen Fall! Wenn Sie Ihre Chancen verbessern wollen, sich online für ein Live-Event zu qualifizieren, verabschieden Sie sich besser schnell von der Idee, A-K als Superhand anzusehen, mit der man sich auf jeden Coin Flip einlassen muss. Wenn A-K eine „Bombe“ ist, dann eine, die Träume zerstört.
A-K – Traumhand oder das Ende eines Traums?
Bei einem Coin Flip liegt A-K gegen 13 Pocket Paare zurück – 22—AA.
Selbst wenn wir AA und KK außer Acht lassen, gegen die A-K 70-80%-iger Außenseiter ist, bleibt die Gefahr, gegen 22-QQ antreten zu müssen. Damit haben wir in acht von zehn Fällen in dieser Situation eine Gewinnchance von 47% - das sind die Odds gegen alle Pocket Paare unter KK.
Um auf 120.000 Chips zu kommen, müssten wir mit 3000 Chips also auf 6000 verdoppeln, dann auf 12.000, 24.000, 48.000, 96.000… Mit anderen Worten, wir müssten sechs Coin Flips in Folge gewinnen.
Die Wahrscheinlichkeit, sechs Coin Flips nacheinander zu gewinnen liegt bei 1:64. Das entspricht 1,5%. Mit 98%-iger Wahrscheinlichkeit scheiden wir aus.
Wir werden in dem Qualifikationsturnier ca. 270 Hände spielen. Sechs davon sind unbedingt zu vermeiden – die oben genannten Coin Flips, bei der uns das Ausscheiden droht.
Was wir vielmehr suchen, sind Situationen, in denen wir ein Vielfaches der Chips gewinnen können.
In Position werden wir uns deshalb so viele Flops wie möglich ansehen, und manche Flops ermöglichen uns, mehr als das Zehnfache unserer Chips zu gewinnen.
Ein nicht verlorener Chip ist mehr wert als ein gewonnener Chip
Prägen Sie sich das gut ein: Ein Chip, den Sie nicht verloren haben, ist dreimal so viel wert wie ein Chip, den Sie gerade gewonnen haben. In der Frühphase des Turniers ist er sogar das Fünffache wert.
Zur Verdeutlichung:
Wenn Sie Ihren Startstack von 3000 Chips auf 6000 Chips verdoppeln, erhöhen sich Ihre Chancen auf die Qualifikation um vielleicht 10%.
Wen Sie aber Ihren Startstack von 3000 Chips bei einem Coin Flip verlieren, verringern sich Ihre Qualifikationschancen um 100%. Sie sind raus!
Die Spielstrategie hängt von drei Parametern ab:
1) Unser Stack im Vergleich zum Chipdurchschnitt.
2) Die Turnierphase – Zahl der verbliebenen Spieler, Zahl der Turnierplätze
3) Der Wert M. Im ersten Level bezahlen Sie 30 Chips pro Orbit. In Level 15 sind es schon 4800 Chips, als das 160-fache.
Also müssen Sie Ihre Spielweise so anpassen, dass die Gefahr des Ausscheidens auf praktisch Null sinkt. Vermeiden Sie Coin Flips komplett, oder zumindest die, in denen Sie mehr als ein Drittel Ihrer Chips riskieren.
Spielen Sie A-K und A-Q raffinierter
Gewöhnen Sie sich an, A-K und A-Q mit ein bisschen mehr Finesse zu spielen. Lassen Sie vor allem die Finger von der typischen Online-Spielweise weg, wo mit diesen Händen gerne der All-in-Button angeklickt wird.
Am besten kleben Sie sich einen Zettel auf den Bildschirm, auf dem steht:
All-in im A-K = mit 53% raus!
Und dann kleben Sie sich einen Motivationszettel daneben, auf dem steht: Um 1.30 AM werde ich immer noch im Turnier sein!
Hört sich komisch an, erinnert Sie aber unbewusst daran, was Ihr ultimatives Ziel ist: Im Turnier bleiben!
Ihr Qualifikationschancen haben sich soeben weiter verbessert.
Risiken und Nebenwirkungen der Online Qualifikation
Es kommt immer darauf an, was uns unserem Ziel näher bringt: der Qualifikation für einen großen Live-Event. 23s spielen und Asse folden? Macht das Sinn? Manchmal ist genau das notwendig. Solche Szenarien kommen häufiger vor, als man glaubt.
Wie geht man damit um? In einem Online-Turnier gibt es kaum Tells, und man hat nur wenige Informationen über den Gegner. Die wichtigsten Entscheidungen treffen wir auf Basis subjektiver Einschätzung.
Wenn es nicht die Pot Odds sind, was sind dann die wichtigsten Faktoren für unsere Entscheidungen?
Spielen Sie Ihren Stack, nicht den Pot
In einem Qualifikationsturnier hängt das Überleben nicht von den Pot Odds ab. Wir arbeiten nur mit unserem Stack, denn er ermöglicht uns, die Bubblephase zu überleben. Damit ist er die wichtigste, ja die einzige Basis für unsere Entscheidungen.
Veranschaulichen wir das mit einem kleinen Beispiel:
Wir haben einen Stack von 150.000 Chips. Spieler B hat 100.000, Spieler C und D haben je 37.000. Es gibt noch fünf weitere Spieler am Tisch mit etwa 25.000 Chips. Wir befinden uns auf der Bubble. Damit stehen unsere Chancen auf die Qualifikation ausgezeichnet. Wir können von über 90% ausgehen. Kommt es zwischen zwei Spielern zu einer All-in-Konfrontation, riskieren wir gar nichts. Also können wir uns zurücklehnen und abwarten, bis sich die anderen gegenseitig abschießen.
Hand Nr. 1: Wir halten AA, und Spieler B schiebt all-in. Wir sind auf jeden Fall 80%-iger Favorit, aber wenn wir die Hand verlieren, fallen wir auf 50.000 zurück, also Average Stack. Mit einem Average Stack erhöhen sich die Chancen, auszuscheiden, um etwa 10%.
Sollten wir die Asse also folden?
Im ersten Moment mag sich das lächerlich anhören, und es gibt viele Spieler, die diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht ziehen würden. Werfen wir die Asse aber tatsächlich weg, bleibt unsere Chance auf die Qualifikation bei 90%. In dieser Situation sollten wir daher die Asse sofort wegwerfen. Pre-Flop, ohne zu zögern.
Warum?
Weil ein Call vor allem für unsere Gegner positive Auswirkungen hat. Für uns gilt das nur in 80% der Fälle, während wir in 20% der Fälle sehr negative Konsequenzen erfahren.
Wir sind praktisch schon qualifiziert, also ist die beste Taktik, jeden „Move“ zu vermeiden, der mit einem Risiko behaftet ist.
Soweit verstanden? Ausgezeichnet!
Das war ein kritischer, aber wichtiger Schritt, vor allem, wenn Sie bisher zu den Spielern gehört haben, die niemals Könige oder Asse vor dem Flop wegwerfen.
Normalerweise scheidet man aus einem Satellite nicht mit einem Paar Siebenen aus. Es sind die guten, starken Hände, mit denen es zu den gefährlichen Situationen kommt.
Können wir diese vermeiden, erhöhen sich die Chancen.
Das gilt übrigens in vielen Fällen. Haben Sie erst einmal verinnerlicht, dass man AA problemlos vor dem Flop folden kann, werden Sie auch keine Schwierigkeiten mehr damit haben, je nach Umständen andere starke Hände abzuwerfen.
Kein übertriebenes Festhalten mehr an scheinbar starken Händen wie AK oder AQ, sie sind oft der Anfang vom Ende.
Ihr Poker hat sich gerade deutlich verbessert. 99,9% aller Spieler würden mit ihren Assen sofort bezahlen, aber ein guter Pokerspieler zeichnet sich dadurch aus, dass er jeden Spielzug überdenkt.
Dann wiederum: Man muss auch Risiken eingehen
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis:
Hand Nr. 2: Sie sind der Shortstack am Tisch mit 10.000 Chips. Sie halten J-T auf einem Board 2-4-6-K-T.
Im Pot liegen 9000 Chips. Der Gegner setzt 4000. Er hält einen Average Stack von 25.000. Wir spekulieren, dass die Chance bei 50% steht, dass unser Gegner hier den Pot mit A-Q stehlen will.
Insgesamt sind unsere Qualifikationschancen momentan nicht gerade die besten. Bei einem Fold bleiben wir bei 10.000 Chips stehen, damit haben wir ungefähr eine 10-15%-ige Chance. Bei einem Call sind die Chancen noch schlechter, wenn wir die Hand verlieren, denn dann halten wir nur noch 6000.
Ist unser Hero Call aber erfolgreich und wir gewinnen die Hand, wächst unser Stack auf 23.000. Damit liegen wir wieder im Average und steigern unsere Chancen auf 50-60%. Das heißt, unser Spielzug hängt von der Situation ab. Hier ist das Risiko, das wir eingehen müssen, akzeptabel. Wenn wir die Hand verlieren, ändert sich nicht sehr viel an unserer Situation, aber wenn sie sie gewinnen, ändert sie sich deutlich.
Das ist das Entscheidende in einer solchen Situation, davon müssen wir unsere Entscheidung abhängig machen.
Für einen Bluff gilt dasselbe
Es macht natürlich Sinn, in einen Pot zu bluffen, wenn die zu gewinnenden Chips unsere Qualifikationschancen deutlich verbessern und wenn die Chips, die wir verlieren könnten, unsere Situation nicht deutlich verschlechtern.
Was wir dagegen nicht wollen, ist ein Spielzug à la „ich pushe auf dem Button, mache die Augen zu und bete“. Es macht keinen Sinn, einen Spielzug zu machen, der uns alles kosten kann, aber nur wenig bringt.
Risikovermeidung und Stackszenarios
Ich sage gern, dass ich „die Hand am Ruder“ behalten will, um meine Qualifikationschancen selbst zu bestimmen. Ich will die Kontrolle behalten, und ich navigiere auf Sicht. Ich gehe weniger Risiken ein, wenn ich gegenüber dem Average ein Polster habe und ich erhöhe meine Risiken, wenn ich an Boden verliere.
Vor allem basiert meine Strategie aber nicht auf irgendwelchen Plänen oder Vorlagen, sondern grundsätzlich immer auf der momentanen Situation.
Werfen Sie auch gute Hände ohne Bedenken ab
Ständige Selbstkontrolle hilft dabei, auch starke Hände wie AK, QQ und JJ ohne größere Schwierigkeiten aufzugeben und auf gefährlichen Flops auch Top Pair oder AA zu folden.
Denken Sie daran, dass man sich auch an starke Hände nicht klammern darf, weil sie leicht das Ende bedeuten können.
Konzentrieren Sie sich auf das Ziel, das Sie in einem Qualifikationsturnier haben. So können Sie Ihr Können weiterentwickeln und auch auf höchstem Niveau mithalten.
Wenn ich mich in einer guten Ausgangsposition befinde und eine schöne Hand bekomme – sagen wir 99-QQ, AQ oder vielleicht AK, freue ich mich nicht darüber, sondern nehme mir zunächst die Stacks meiner Gegner bzw. deren Pre-Flop Raises vor.
Sind deren Stacks größer als 50% meines Stacks, kann ich mit einem Call wahrscheinlich verhindern, in eine Coin-Flip-Situation zu geraten.
Sind die Stacks kleiner, gibt mir das zusätzliche Fold Equity.
Natürlich spielen immer auch andere Faktoren eine Rolle, aber es geht mir vor allem darum, das Beste aus einer Situation herauszuholen, während ich gleichzeitig „Unfälle“ vermeide, von denen ich mich vielleicht nicht mehr erhole.
Die Stack Size in verschiedenen Szenarien
Bevor ich eine Entscheidung treffe, lehne ich mich nicht zurück und freue mich über meine tollen Karten, sondern ich überlege mir, wie mein Stack aussehen wird, je nachdem wie die Hand weiter verläuft – ob ich z. B. einen Coin Flip eingehen muss und was passiert, wenn ich diesen verliere bzw. gewinne.
Erst wenn ich alle Szenarien durchgegangen bin, treffe ich meine Entscheidung.
Die Grundlagen haben sich deswegen allerdings nicht geändert. Mein Ziel hat sich ja nicht verändert. Jede Entscheidung muss mich der Qualifikation näher bringen, sofern das möglich ist.
Ich wiederhole mich hier, tue das aber deswegen, weil viel zu viele Spieler sich eben nicht überlegen, wie ihr Chipstack je nach Handverlauf aussehen wird.
Wer in einer Hand lange überlegt, muss deswegen nicht zögern – er rechnet. Wer rechnet, weiß worauf er sich einlässt, und wer das weiß, trifft bessere Entscheidungen.
Ich bin kein Gambler. Ich verlasse mich nicht auf Münzwürfe. Ich konzentriere mich ausschließlich darauf, meine Chancen zu steigern.
Die richtigen Qualifier für jede Bankroll
Alles hat seinen Preis, auch die Qualifikation für ein Live Event.
Bevor Sie sich für einen der verschiedenen Qualifikationswege entscheiden, werfen Sie eine Blick auf Ihre Bankroll.
Fragen Sie sich außerdem, wie viel von sich selbst und Ihrem Geld Sie in Poker wirklich investieren möchten. Ist Poker nur ein Zeitvertreib für Sie oder ist Ihre Leidenschaft für das Spiel so groß, dass Sie sich ein ordentliches Budget innerhalb Ihrer Möglichkeiten gesetzt haben?
Wie groß ist Ihr Poker-Budget?
Sie müssen hier ganz emotionslos ausrechnen, was möglich ist und was nicht. Es ist eine alte Regel, aber sie stimmt: Ihre Poker Bankroll muss von allen anderen Geldern abgeschnitten sein. Das ist ein kleines, aber wichtiges Detail.
Poker muss Spaß machen, es darf Ihre finanzielle Situation nicht gefährden.
Jeder Spieler hat sein eigenes Budget. Entscheidend ist nicht, wie groß es ist, entscheidend ist, dass es dafür sorgt, dass Poker für Sie immer innerhalb Ihrer persönlichen Komfortzone bleibt.
Der Preis eines Traums
Von Ihrem Budget hängt ab, auf welcher Ebene Sie mit Ihren Qualifiern beginnen können. Wenn Sie z. B. bei der EPT dabei sein wollen, bedeutet das, dass Sie ein großes Buy-in erspielen müssen.
Ich persönlich glaube jedoch, dass die Mehrheit der Spieler über eine Bankroll verfügen, die ihnen erlaubt, den Versuch zu wagen, sich für eine EPT zu qualifizieren.
Auf den unteren Levels kostet die Teilnahme an den Qualifiern nur ein paar Dollar, aber wenn Sie es ernst mit Poker meinen, benötigen Sie schon ein richtiges Budget.
Das Budget
Für jemanden mit einem durchschnittlichen Lebensstil setze ich ein Budget von €400/Monat an.
Dieses Geld teilen wir in drei Bereiche ein:
- €100 für Online MTTs, also ca. 10-20 Turniere pro Monat
- €100 für zwei kleine Turniere in Ihrem Casino um die Ecke
- €200 für die Online-Qualifikation zu großen Live-Events
Buy-in, Reisekosten und Hotel addieren sich zu etwa €8000 pro Event.
Wir werden versuchen, uns für ein Viertel dieser Kosten zu qualifizieren.
Über ein Jahr gesehen bedeutet das, wir sollten über ein Budget von 12 x €200 = €2400 verfügen.
Die drei Wege zum Live-Event
Auf PokerStars, wo ich persönlich meine Qualifier spiele, gibt es drei Haupttypen von Qualifiern: MTTs, MTT Rebuys und Steps.
MTTs
Die direkten Satellites zu den Main Events kosten üblicherweise €530, die ein Level darunter €82.
Ich rate dazu, zunächst zehn Qualifier der „zweiten Liga“ zu spielen, damit sammeln Sie die Erfahrung, die Sie benötigen.
Von diesen zehn Turnieren sollten wir drei gewinnen. Damit haben wir die Chance, drei der Direct Satellites zu spielen. Statt 3 x €530 kostet uns das aber nur €820.
Steps Turniere
Mit dem oben angegebenen Budget können wir auf der Ebene „D“ beginnen. Bleiben Sie eine Weile auf demselben Level, damit Sie sich an das Spielniveau gewöhnen und anpassen können.
Auf Dauer ist das Ziel natürlich, sich langsam weiter nach oben zu arbeiten. Natürlich steigt das Niveau der Gegner von Stufe zu Stufe.
Nach zehn Turnieren auf dem Level „D“ sollten wir vier Tickets für Step „E“, zwei für Step „F“ und eines für Step „G“ gewonnen haben … und dann geht es ums Ganze.
€22 Rebuys
Diese Turniere unterscheiden sich etwas von den anderen, weil sie eine ungewöhnliche Struktur besitzen und man Add-ons von bis zu 50.000 Chips nachkaufen kann.
Letztes Jahr konnte ich mich sechsmal über diesen Satellite-Typ qualifizieren. Sie sind bei Weitem der preisgünstigste Weg zum Main Event.
Beiser Turnierart müssen wir vor allem die Regeln der Profitabilität beachten:
Wenn wir bei einem €22+R mitspielen, müssen wir unter allen Umständen die Post-Rebuy-Phase erreichen.
Dort beginnt das Turnier erst richtig, und wer vorher schon ausgeschieden ist, hat natürlich null Prozent Chance auf die Qualifikation, sondern sein Geld einfach aus dem Fenster geworfen. Dieses Szenario gilt es auf jeden Fall vermeiden.
Wenn wir das „echte“ Turnier erreichen, teilen wir uns das Preisgeld unter ca. 40 Spielern, wenn anfangs rund 100 Spieler dabei waren.
Unser Budget beläuft sich dafür auf etwa €260, damit können wir drei Turniere spielen (nach der Formel Buy-in + 1 Rebuy + 1 Add-on).
Optimales Bankroll-Management für Online-Qualifikanten
Ich werde später noch auf jedes einzelne dieser Turniere näher eingehen, aber hier geht es zunächst darum, das Budget richtig einzusetzen.
Spielen Sie mit Ihrem monatlichen €200 Budget zwei MTTs für €82, zehn Step D Qualifier für je €82 und drei €22+R Turniere. Im Jahr kommen Sie damit auf eine Investition von €2400. Dafür wachsen Ihre Chancen auf eine tatsächliche Qualifikation um mehr als die Hälfte, wenn Sie sich an meine Richtlinien halten.
2400 Euro hören sich zwar viel an, aber es geht ja auch um viel. Außerdem ist das ja graue Theorie. Mit ein bisschen Glück brauchen Sie deutlich weniger Einsatz. Poker ist ein Spiel, also fürchten Sie das Schlimmste – und erwarten Sie das Beste.
Erfolgreich Online-Steps-Qualifier für Live Events spielen
Von Step A, in dem man die Grundzüge dieses Qualifikationsweges kennen lernt, bis hin zu Step G, in dem es um alles geht, ist es ein langer und steiniger, aber auch aufregender Weg. Während man im ersten Level hauptsächlich auf blutige Anfänger trifft, die nicht wirklich wissen, was sie tun, sind die Gegner auf dem höchsten Level häufig Profis und unter den Top 5% der weltweit besten Spieler. Um sich in den Steps durchsetzen zu können, sollte man schon über ein bisschen Erfahrung mit SnGs verfügen, und damit meine ich, man sollte eine positive SnG-Bilanz vorweisen können.
Ferner sollte man ein tiefes Verständnis für den wechselnden Rhythmus besitzen, den die Steps aufweisen; von der vorsichtigen Anfangsphase bis zum aggressiven Finish.
Eine Stufe nach der anderen
Die Steps sind wie eine Leiter, die man langsam hinaufklettern muss. Je weiter Sie nach oben gelangen, desto mehr müssen Sie sich konzentrieren und auf die Spielweise der nächsten Stufe einstellen.
Wenn Sie es bis Step F geschafft haben, müssen Sie spätestens zu einem Railbird werden und sich die nächsten Gegner beim Spiel ansehen. Auf dieser Ebene sind bereits viele Spezialisten unterwegs, und Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit auf mehrere davon treffen. Umso wichtiger ist es, dass Sie bereits ungefähr wissen, mit wem Sie es zu tun haben.
Lassen Sie sich Zeit! Warten Sie den richtigen Moment ab und nutzen Sie dann Ihre Chance.
Verlieren Sie das Ticket nicht
Um in den Levels aufzusteigen, gilt es zunächst, nicht hinter den Plätzen zu landen, die einem das Ticket für dieselbe oder die nächste Stufe sichert. Hört sich selbstverständlich an, wird aber von manchen vernachlässigt. Normalerweise muss man Dritter oder Vierter werden, um zumindest im selben Level bleiben zu können, also eine weitere Chance zu bekommen.
Zunächst ist das Ziel also nicht, das Turnier zu gewinnen, sondern nicht zu verlieren.
Frühe Phase
Vermeiden Sie Flips, schauen Sie sich Flop möglichst günstig an, bluffen Sie wenig und mit niedrigen Einsätzen.
Bringen Sie ihren Stack nicht unnötig in Gefahr, denn um profitabel zu spielen, müssen Sie in neun von zehn Fällen die Top vier erreichen.
Die letzten Vier
Haben wir diese Phase, als mit nur noch vier Spielern am Tisch erreicht, beginnt der wahre Qualifier. Von jetzt an müssen wir kontrollierte Risiken eingehen!
Wir brauchen ausreichend Chips, um nicht zum Shortstack zu werden, gegen den sich die anderen Spieler automatisch verbünden. Dafür dürfen wir keine Chance ungenutzt lassen. Sie werden das nicht in ein paar Minuten lernen, aber wenn Sie auch bei nur noch drei Spielern im Turnier sind, und es nur zwei Gewinner gibt, habe ich hier ein paar hilfreiche Tipps für Sie. Zunächst mal nehmen Sie gefälligst die Hand von der Maus! Keine voreiligen Bewegungen, keine schnellen Entschlüsse. Nehmen Sie Ihre Time Bank bei jeder Hand in Anspruch.
Kurzer Blick auf die Mathematik
Drei Spieler, zwei Qualifikanten. Ganz simpel ausgedrückt, heißt das, die Chancen auf eine Qualifikation liegen bei 66%. Es ist ihr Ziel, diese Zahl noch zu steigern, also hüten Sie sich vor Moves, die Ihr ausscheiden bedeuten könnten.
Wie das geht? Mit einem Flip QQ gegen AK? Natürlich nicht! Ihre Chancen würden damit sinken, und zwar von 66% auf 53% (weil die Damen leicht vorn liegen). Sie haben eine schöne A-K bekommen und denken daran, dem Gegner eine Falle zu stellen, der sein Geld mit J-T riskieren wird? Auch nicht gut, denn hier liegen Ihre Gewinnchancen bei 60%, also immer noch schlechter als die 66% oben. Mit A-K kann man natürlich noch bessere Fallen stellen. Nehmen wir an, wir stehen damit gegen A-2.
Überraschung! Trotzdem nicht gut! Die Odds liegen hier immer noch bei 2:1, aber Sie können sich hier auch leicht selbst aus dem Turnier nehmen.
Pocket Asse!
Ok, was ist nun mit der besten aller Hände?
Mit ihr steigen natürlich die Chancen, aber denken Sie daran, dass Sie diese erstens sehr selten bekommen und zweitens damit kein Gewinn garantiert ist. Trotzdem steigen mit dieser Hand Ihre Gewinnchancen auf 80%, sind also deutlich größer als der statistische Schnitt. Aber Sie wissen ja, wie das ist: In 20% der Fälle sind die Chips trotzdem weg.
Der beste Spielzug ist KEIN Spielzug
Bei noch drei Spielern ist der beste Spielzug häufig, überhaupt nicht zu spielen. Wenn die anderen beiden Spieler all-in gehen und sich gegenseitig die Chips abnehmen, ist das die bestmögliche Situation. Haben die beiden gleich große Stacks, belaufen sich Ihre Qualifikationschancen auf 100%!
Also warten Sie ab, achten Sie auf das Aggressionslevel der Gegner und konzentrieren Sie sich auf das wahre Ziel: im Turnier bleiben, bis die beiden Gegner gegeneinander all-in gehen.
Schlussfolgerung: Sie sind besser vorbereitet als Ihre Gegner
Bevor Sie Ihren nächsten PokerStars-Qualifier spielen, sammeln Sie alle Informationen über das Turnier, die Sie benötigen. Machen Sie sich mit der Struktur vertraut, machen Sie sich Notizen, verfolgen Sie, wie sich das Turnier von Stunde zu Stunde ändert.
Passen Sie Ihre Taktik entsprechend an!
Wer sich richtig vorbereitet, erhöht seine Chancen auf eine Qualifikation schon um 50%, im Vergleich zu all den Spielern, die einfach nur vor dem Computer sitzen und hoffen, gute Karten zu bekommen, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, was ihr Ziel ist und wie sie es erreichen. Sie sind nun kein Tourist mehr in den großen Qualifikationsturnieren. Sie haben den Weg zum erfolgreichen Qualifikanten beschritten.
Wir gehen dann Risiken ein, wenn die Konsequenzen nicht zu dramatisch sind und wir unsere Situation deutlich verbessern können. Aber wir gehen auf keinen Fall Risiken ein, die uns aus einer sicheren Position in eine unsichere bringen können und unsere Chancen auf die Qualifikation gefährden.
- Pierre Neuville