Kapitel 1: "Titanic" Thompson - Der Unsinkbare
Noch weit vor Johnny Moss und Nick „The Greek“ Dandalos kreierte Clarence Alwin Thomas, besser bekannt als „Titanic Thompson“, den Typus des Golf- und Poker-Gamblers. Er gewann eine Wette gegen Al Capone, konnte angeblich Schlüssel ins Schlüsselloch werfen und wurde 1955 sogar in einem Musical verewigt.
Wenn irgendeiner zu dir kommt und mit dir wettet, er könne den Pikbube aus einem nagelneuen Kartendeck springen und dir Bier ins Ohr spritzen lassen, lass lieber die Finger davon, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wirst du dich mit den Ohren voller Bier wieder finden.
- Marlon Brando, als Sky Masterson zu Frank Sinatra im Gamble-Musical „Guys and Dolls“
Noch bevor Anfang der 60er Jahre der Pokerzirkus seine ersten Stars hervorbrachte, war Clarence Alvin Thomas, bekannt unter seinem Spitznamen „Titanic Thompson“ und „The Unsinkable“ unzweifelhaft Amerikas berühmtester Gambler und eine lebende Legende.
Zwischen 1920 und 1970 hatte er beim Golf, Poker und vor allem durch zahlreiche Prop-Bets Millionen verdient und durch seine fatale Leidenschaft für Pferdewetten wieder verloren.
Bis heute dient Titanic Thompson den Golf spielenden Poker- Pro`s in Amerika als Ideengeber, wenn es um den Abschluss spektakulärer Side-Bets auf dem Golf-Course geht.
Doyle Brunson sagte einst über ihn: „Wenn Johnny Moss der Prototyp des Golf spielenden Pokerspielers war, dann war Titanic Thompson jener des Poker spielenden Golfspielers.“
Bereits 1908 - mit gerade einmal 16 Jahren, unfähig ordentlich lesen und schreiben zu können und mit noch nicht mal einem Dollar in der Tasche - verließ Thomas seine Heimat in Arkansas, um seinen Lebensunterhalt künftig als Hustler und Gambler zu verdienen.
Während des ersten Weltkriegs zum Sergeant befördert, stellte er gegenüber seinen Untergebenen seine über die Jahre gemachten Erfahrungen unter Beweis und kehrte mit einer zusammen gezockten Bankroll von über 50.000 Dollar in die USA zurück.
In den folgenden Jahren war er auf dem besten Wege der berüchtigste Wettganove und Abzocker der amerikanischen Geschichte zu werden.
Ausgestattet mit einer seltenen Augen-Hand-Koordination sowie einem unerschöpflichen Repertoire an Lügengeschichten und Heilsversprechungen machte er seinen Opfern die unverschämtesten Wettangebote schmackhaft.
Mit Al Capone wettete er beispielsweise, dass er eine Orange über ein fünfstöckiges Hochhaus werfen könne. Schon vorher hatte er denselben Trick mit bleigefüllten Erdnüssen durchgezogen. Capone soll die Falle gewittert und die Orange eigenhändig ausgepresst haben.
Die Frucht tauschte Titanic Thompson blitzschnell gegen eine frische, handlichere Zitrone aus, warf sie trotzdem übers Dach und verdiente sich den lebenslangen Respekt des Chicagoer Gangsterbosses.
Mit einer anderen legendären Wette verdiente sich Ty, wie er von seinen Freunden auch genannt wurde, Übernachtungen in den besten Hotels Amerikas.
Er wettete, dass er große Zimmerschlüssel ins passende Loch werfen konnte.
Der Trick war am Ende die Formulierung, denn Alvin Thomas beförderte die Schlüssel mit einem gekonnten Wurf nicht ins Schlüsselloch, sondern in das dafür vorgesehene Fach hinter der Rezeption.
Noch vor seinem 40. Geburtstag hatte Titanic Thompson durch Wetten, Poker und Würfelspiel Millionen gewonnen, fünf Männer in Notwehr getötet, drei Frauen geheiratet und als Sergeant in der Armee gedient.
Um 1930 entdeckte Thomas, der von Augenzeugen sogar mit Zauberer Merlin verglichen wurde und als „der größte Actionman aller Zeiten“ (Pool-Billiard- Legende, Minnesota Fats) galt seine eigentliche Passion, das Golfspiel.
Zusammen mit Nick The Greek Dandalos war er in diesen Jahren dabei, Anwälte, Politiker, Alkoholschmuggler und Banker beim Pokern zu erleichtern. Die Partien dauerten lange, oft bis zum Morgengrauen.
Seine Tage verbrachte Ty aber nicht im Bett, sondern auf dem städtischen Golfplatz in San Fransisco. Es dauerte nicht lange, bis er aus dem Sport einen Nettozahler gemacht hatte.
So zockte Titanic einen für seine langen Drives berühmten Champion um 20.000 Dollar ab, indem er ihm drei Drives pro Loch zugestand – der Mann war schon bald zu erschöpft, um noch einen sauberen Drive zu schlagen.
Die berüchtigte Seewette (später wiederholt von Amarillo Slim) brachte ihm ebenso ein erkleckliches Sümmchen ein. Er hatte gegen ein paar Millionäre gewettet, er könne den Ball 500 Yards weit schlagen.
Er schlug links von der Spielbahn ab und ließ den Ball eineinhalb Kilometer über einen vereisten See schlittern.
Doch trotz seiner landesweit berühmt, berüchtigten Bluffs wird Titanic Thompson bis heute als wohl bester Amateurgolfer aller Zeiten bezeichnet. Er schlug in regulären Matches mehrere spätere Sieger der Major Tour.
Auf dem Höhepunkt seiner Zockerjahre, Mitte der 40er wurde Ty einmal gefragt, warum er es nie mit dem Profigolf versucht habe. „Na ja“, meinte er und mischte die Karten. „weil das Gehalt so viel schlechter ist und ich mir das einfach nicht leisten kann.“
PGA-Profis verdienten damals im Jahr maximal 30.000 Dollar. Eine Summe, die Titanic Thompson oftmals mit nur einer gewonnenen Wette machte.
Im Mai 1974 erlitt Titanic Thompson, der durch die von Marlon Brando gespielte Figur Sky Masterson in der Musical- Verfilmung „Guy`s and Dolls“ längst zur Legende geworden war, einen Schlaganfall.
Der Mann, der mehr als sieben Jahrzehnte Gaunereien überlebt hatte, fünf Männer getötet und ebenso viele Frauen geheiratet hatte, wurde im Alter von 82 tot aufgefunden.
Auf dem fünfzig Meilen entfernten Tennison Golf Course in Dallas soll ein junger Caddie in einem Cart an einer Gruppe von vier Golfern vorbeigefahren sein und gerufen haben: „Titanic Thompson ist gestorben.“
Nach einer kurzen Pause soll einer der Männer gefragt haben: „Hast du Titanic Thompson mal getroffen, Junge? “ Nein, ich hatte nicht die Ehre“, antwortete der Caddie. „Aber du sagtest, er ist tot.“ So hab ich es gehört Sir. „Na ja kann gut sein, dass er tot ist, aber darauf wetten würde ich nicht.“
Drei Jahre vorher hatte der unsinkbare Titanic Thompson die World Series of Poker moderiert, die sein alter Freund Johnny Moss gewann. Kurz danach soll er über das viele Geld gesprochen haben, dass bei der WSOP auf dem Tisch gelegen hatte.
„Ich bedauere nicht viel in meinem Leben“ resümierte er. „Aber ich wünschte ich wäre ein bisschen klüger gewesen und hätte mir mehr Geld auf die Seite gelegt. Ich wünschte, ich hätte ein bisschen weiter gesehen, als bis zum nächsten Spiel. Das ist die eine Sache, die ich mir wirklich vorwerfe.“
Kapitel 2: Rex Cauble oder "Cutter Bill und die Cowboy Mafia"
Es gibt wohl kaum einen Vegas-Wal, der die Legende vom texanischen Gambler besser vertritt als Rex Cauble. Er wurde mit Öl reich und ging pleite. Er wurde mit Pferden reich und verspielte wieder alles.
Auch als Rinderzüchter verdiente er ein Vermögen und ließ es doch später wieder an den Pokertischen in Las Vegas liegen.
Rex Cauble schaffte es in seinem Leben mindestens dreimal richtig reich und mindestens dreimal richtig pleite zu sein. Sein erstes Vermögen machte er mit einem glücklichen Ölfund 1944 in seinem Heimatstaat Texas.
Schon bald galt sein Interesse allerdings der Aufzucht und dem Training von so genannten „Cutting Horses“ – Pferden, die in sportlichen Wettbewerben daran gemessen werden, wie gut sie mit ihrem Reiter ein Rind für einen gewissen Zeitraum vom Rest der Herde separieren können.
1956 bezahlte Cauble für einen jungen Hengst namens „Cutter Bill“ 2.500 Dollar. Eine Investition, die sich um ein Vielfaches auszahlen sollte.
Zunächst verlor Rex Cauble seinen baldigen Wunderhengst allerdings in einer Partie Seven Card Stud. Zwar löste er „Cutter Bill“ zwei Wochen später wieder aus, die verlorene Stud-Partie war dennoch der Auftakt zu einer ganzen Serie von gigantischen Pokerverlusten.. So ahnungslos, wie Rex Cauble am Pokertisch war, so erfolgreich waren seine Entscheidungen abseits davon.
Sein Hengst „Cutter Bill“ gewann sechsmal die Weltmeisterschaft und insgesamt eine Million Dollar an Preisgeldern. Später wurde er in die American Quarter Horse Hall of Fame aufgenommen. Caubles Liebe zu Bill war so groß, dass er zwei seiner Geschäfte für Reitzuzbehör in Dallas nach dem Champion benannte.
In den 80er Jahren, als die Urban Cowboy-Bewegung ihren Höhepunkt erfuhr, war „Cutter Bill`s Western Wear“ eine der erfolgreichsten Bekleidungsmarken der USA.
Kleidung zu verkaufen machte nur einen geringen Teil des Cauble-Geschäfts aus. Den weitaus größeren Profit machte Cauble mit illegalen Geschäften. Und auch das klingt noch zu harmlos.
Rex Cauble war einer der wichtigsten Köpfe der mittlerweile legendären Cowboy-Mafia. Diese war in den 70er Jahren für den größten Marihuana-Schmuggel in der Geschichte der USA verantwortlich. Mit Powerspeed-Booten, Shrimp-Kuttern und Pferde-Waggons wurden tonnenweise Drogen von Kolumbien in die USA gebracht.
Zum Netzwerk gehörte neben dem legendären Marlboro-Man-Model Les Fuller auch Rex Cauble, der vor allem für die Geldwäsche in Las Vegas verantwortlich war.
Dort kam Cauble quasi an keinem Pokertisch ungeschoren vorbei. 1978 spielte er sogar den WSOP-Main Event. Aber noch viel lieber saß er in den High Stakes Cash Games im Binions Horseshoe-Casino.
Wie zahllose Verlierer vor ihm konnte sich auch Rex Cauble seine Verluste nicht ehrlich eingestehen. Einmal erzählte er dem Direktor der Dallas International Bank, er wolle 260.000 Dollar einzahlen, die er beim Poker gewonnen habe.
Tatsächlich war es aber so, dass diese 260.000 Dollar der Restbetrag waren, den die High Roller dem Fisch gelassen hatten.
Stories über die lausigen Poker-Skills von Cauble kursierten in Las Vegas zur Genüge. Eine besagt, dass Rex Cauble während der World Series of Poker an einer $50.000 Minimum Buy In Cash Game Partie teilnehmen wollte, an der auch Doyle Brunson, Crandell Addington und Bobby Baldwin Platz genommen hatten.
Cauble ließ es sich allerdings nicht nehmen, sich in einem 30-minütigen Tutorial von Doyle Brunson zunächst die Basics der ihm bis dahin unbekannten Variante des NLHE einführen zu lassen.
Geholfen hatte es offenbar nichts. Eine Hand der skurrilen Session wird bis heute gern erzählt. Nach dem Flop von K J 2 hatten sowohl Cauble als auch Bobby Baldwin gecheckt.
Der Turn zeigte eine 6 und wieder checkten beide Kontrahenten. Als die 4 auf dem River kam, checkte Baldwin erneut und Cauble setzte 1.500 Dollar. Baldwin raiste sofort auf 30.000 Dollar.
Cauble, der noch 60.000 Dollar vor sich liegen hatte, überlegte nun lange und diskutierte seine Optionen, so dass die restlichen Mitspieler von einem Fold ausgingen. Am Ende callte er und Baldwin zeigte ihm 5-3 zur Straight.
Jeden am Tisch schockierend drehte Cauble exakt dieselbe Hand um. Er hatte die Stone Cold Nuts und nur gecallt, obwohl er noch mit 30.000 Dollar hätte reraisen können.
Doyle Brunson, am Pokertisch ansonsten schwer zu beeindrucken, soll mit dem Ausspruch „I`ll be a sunburned son of a bitch“ fast aus seinem Stuhl gefallen sein.
Die Freude der High Roller über die Strandung eines so gewaltigen Wals an ihren Gestaden wandelte sich jedoch schon bald zu Frust.
1982 wurde Rex Cauble wegen des Schmuggels von insgesamt 106 Tonnen Marihuana und anderer schwerer Delikte zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. In dieser Zeit fehlte den Vegas High Rollern nicht nur einer ihrer fettesten Wale, sondern auch der Produzent zahlloser Poker-Skurrilitäten.
Rex Cauble starb 2007, 89-jährig als erfolgreicher Rinderzüchter im Kreise seiner Familie. In die Geschichte wird er allerdings für drei andere Dinge eingehen.
Er entdeckte „Cutter Bill“, er war einer der führenden Köpfe der Cowboy-Mafia und er hat in den 70er und 80er Jahren soviel Geld in die Pokerindustrie geblasen wie kaum ein Anderer.
Kapitel 3: Major Riddle oder "Ich setze das Dunes"
Einer der Spieler, der selbst unter den größten Verlierern der Poker-Geschichte eine eigene Kategorie darstellt, ist zweifellos Casino-Besitzer Major Riddle, um den sich im Las Vegas der 50er und 60er Jahre ein ganz eigenes „Bereicherungssystem“ entwickelte.
Er engagierte das erste „Oben Ohne Cabaret“ in Sin City und brachte die Autoritäten von Las Vegas gegen sich auf, er hob das „Big Game“ aus der Taufe und wurde sein erstes Opfer, und er machte das legendäre „Dunes“ Casino groß und verlor es Stück für Stück beim Poker.
Riddle wuchs in Kentucky und Indiana auf und zog als junger Mann nach Chicago, wo er eine Speditionsfirma gründete, die schon bald zu den größten des gesamten Mittleren Westens der USA zählte.
Während der großen Depression in den 1930ern, als Hunderte pleite gingen erfuhr Riddle einen Aufstieg zu märchenhaften Reichtum. Mit rechten Dingen ging es dabei logischerweise nicht immer zu.
In Chicago herrschte die Mafia und Riddle wurden immer wieder Verbindungen zu ihr unterstellt. Und auch in seiner Firma waren seine Methoden oft mehr als fragwürdig. So drängte er seine Fahrer dazu mit Teilen des Lohns ihre Trucks zu erwerben.
Und kurz bevor diese rechtmäßig in deren Besitz übergehen konnten, feuerte er sie und behielt die Lastwagen für sich.
1956 verließ der Riddle Chicago, um in Las Vegas das erst kurz zuvor eröffnete und mit hohen Verlusten kämpfende „Dunes“ Casino Hotel zu erwerben.
Bis heute halten sich hartnäckig Gerüchte, dass auch Riddle Teile der Pensionskasse der in Chicago besonders starken Teamster-Gewerkschaft unter Führung von Jimmy Hoffa in Vegas investierte. Hoffa stolperte später über seine Verbindungen zur Mafia und verschwand spurlos.
Riddles Stern begann in Vegas allerdings erst richtig zu leuchten. 1956 eröffnete er das „Dunes“ neu. Und er hatte Erfolg.
Eine seiner glorreichsten Ideen war es die erfolgreiche Burlesque-Truppe „Minsky`s Follies“ zu verpflichten. Damit war das „Dunes“ das erste Hotel-Casino in Las Vegas, das ein „Oben Ohne Cabaret“ auf dem Strip anbot.
Katholische Priester und die Heilsarmee liefen Sturm gegen die Show. „Bare breasted girls on stage in Las Vegas, we can't have that!“, riefen sie bei organisierten Telefonaktionen. Riddle war‘s egal.
Die Show zog 16.000 Zuschauer in einer Woche. Ein Rekord, der in ganz Las Vegas bis 1990 Bestand haben sollte.
Und Riddle hatte weitere Ideen, sein neues Spielzeug zu promoten. So trat er 1962 in der „Tonight Show“ von Johnny Carson auf, um mit dem von ihm verfassten Buch „The Weekend Gambler`s Handbook“ auch Werbung für das „Dunes“ zu machen.
Allerdings konnte es fast keinen schlechter beleumundeten Verfasser eines Spieler-Handbuches geben als ihn. Denn Riddle war verrückt nach Poker und dabei ein notorischer Verlierer.
Wann immer er einen Tisch enterte, entstand eine lange Warteliste. Er war nicht nur ein Spieler mit sehr tiefen Taschen, sondern auch leicht zu betrügen.
Der Mafiosi Tony Spilotro und seine Kumpane erleichterten Riddle um Tausende von Dollar. Andere wiederum verwickelten Riddle in Prop-Bets, die der gar nicht gewinnen konnte.
Insider, wie der Journalist Frank Rosenthal („millions were cheated from the Major“) und andere Zeitgenossen sind sich sicher, dass es niemals ein effektiveres Betrugssystem in Vegas gegeben hat, als das, welches den Besitzer des „Dunes“ aufs Korn zu nehmen hatte.
Bekannte Dealer, wie John Martino waren dabei ebenso gekauft, wie Trickspezialisten vom Schlage eines Marty Carson.
Doch auch wenn alles mit rechten Dingen zuging, war Riddle ein Fisch in seiner eigenen Liga. Die meiste Zeit seines Lebens Stud-Spieler gewesen, lief er vor allem immer wieder den Texas Road Gamblern in die Messer, während er versuchte, No Limit Holdem zu begreifen.
Vor allem eine Hand ging im alten Vegas in die Geschichte ein. In seinem eigenen Casino verwickelte sich Riddle in eine Hand mit Johnny Moss, was wohl sein erster Fehler war, denn Moss war damals auf dem Zenit seiner Fähigkeiten.
Der Flop kam mit K-K-9 und Moss schoss eine erste Chipsalve ab. Jeder foldete, außer Riddle. Der Turn brachte eine weitere 9. Moss setzte wieder und Riddle callte um ein Weiteres.
Auf dem River wurde ein Bube gedealt, Moss schob all seine Chips in die Mitte, und schnell kam der Call des Hausherren. Der Pot war nun 300.000 Dollar groß.
Moss zeigte triumphierend Pocket 9er zum Vierling. Und Riddle? Hatte nicht mehr als ein Paar 2en!!!
Jeder am Tisch soll versucht haben, sich das Lachen zu verkneifen. Denn Riddle hatte schon am Turn kaum eine Chance gehabt, auch nur das Board zu schlagen.
Joe Rubino, ein Buchmacher aus Alabama, der die Partie beobachtet hatte, machte den Fehler Riddles Irrtum laut auszusprechen und zu fordern: „Er sollte den Call nach dem Turn und den am River zurücknehmen dürfen. Er hatte ja gar keine Chance mehr dieses Board zu schlagen.“
Rubinos Einlassung brachte den als Choleriker bekannten Moss auf Hochtouren. Er explodierte und blaffte Rubino an. „Über was zur Hölle redest du? Du weißt gar nichts über das Spiel. Dabei ist eben manchmal das Board die beste Hand. Komm‘ mir nicht noch mal in die Quere oder du wirst es bereuen.“
Riddles nachweisliche Beschränktheit am Pokertisch hielt ihn jedoch nicht davon ab alles zu setzen was er hatte, und wann immer sich die Chance dazu bot.
Bei einer Partie im „Sahara“, raiste er einmal eine Hand mit seiner Besitzurkunde des „Dunes“. Er gewann die Hand zwar, aber es waren genau jene Aktionen, die seinen Anteil am mittlerweile prosperierenden „Dunes“ innerhalb von kürzester Zeit auf ein Minimum schwinden ließen.
Als das damalige Big Game des alten las Vegas, vom „Dunes“ ins „Aladdin“ umzog, folgte Riddle ihm auf die andere Straßenseite. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte er die Kontrolle über sein Casino komplett verloren.
In weniger als einem Jahr schwanden seine Anteile von knapp 90% auf 15%. Und auch die verspielte er letztlich am Pokertisch.
Heute gilt das „Aladdin“ als die Geburtstätte des „Big Game“. Und es ist vor allem für zwei Sachen bekannt:
Tom Abdo (1982 in die Poker Hall of Fame aufgenommen) starb hier während einer Highstakes Partie mit den Worten „Count my chips. I’ll be back“ an einem Herzinfarkt. Und: Major Riddle verspielte hier ein ganzes Vegas-Casino.
Doch wie bei unzähligen Anlässen davor, schüttelte Major Riddle den Verlust ab und machte sich noch einmal auf zu neuen Abenteuern.
1977 kaufte er das „Thunderbird“ Casino und benannte es in „Silverbird“ um. Er rekrutierte Eric Drache and Doyle Brunson um ein neues „Big Game“ zu etablieren.
So hoch wie im „Dunes“ und später im „Aladdin“ sollte allerdings lange nicht mehr gespielt werden. Im „Silverbird“ konnte man zwar ein Auto oder vielleicht auch ein Haus verlieren, aber niemals ein ganzes Casino.
Riddle gelang ein weiteres Comeback. Er kaufte Anteil an mehreren Casinos in Vegas und wurde ein weiteres Mal wohlhabend.
Major Riddle starb 1980. Mit ihm verlor das alte Las Vegas eine seiner schillerndsten Figuren und die Pokerwelt zweifellos einen der größten Fische aller Zeiten.
Kapitel 4: Jimmy Chagra oder Das höchste Trinkgeld aller Zeiten
Jamiel Chagra war in den 1970er Jahren der größte Drogenhändler zwischen El Paso und Las Vegas. Seine Millionen landeten meist schnell in den Taschen der Poker High Roller. Chagra gilt nicht nur als einer der legendärsten Gambler der goldenen Vegas-Jahre, sondern auch als größter Trinkgeldgeber aller Zeiten.
Als Jamiel Chagra längst für fast 25 Jahre im Gefängnis verschwunden war, erinnerte sich Jack „Tree Top“ Strauss an einen der größten "Finanziers" der High Stakes-Runden in Las Vegas:
„Es gab kein Geld, das schmutziger war als seines", so der Poker-Weltmeister." Aber er pflegte alle reich zu machen, die mit ihm am Tisch saßen. Und so war er immer willkommen.“
Auch ein anderer Champion, Puggy Pearson, erinnerte sich gerne an Chagra: „Ich schlug ihn und schlug ihn und schlug ihn. Ich allein hab glaube ich um die 600.000 Dollar von ihm gewonnen.
Ob Poker, Golf oder Pool-Billiard – er versuchte es wirklich auf allen Gebieten. Er war ein Drogen-Händler, der gern wie ein Berufsspieler wirken wollte. An die, die wie ich damals in Vegas wohnten, hat Chagra mit Sicherheit Millionen abgeliefert. Ja, Jimmy war ein guter Junge.“
Ein guter Junge, der sich schon früh mit der Rolle des schwarzen Schafes innerhalb seiner Familie abgefunden hatte. Während seine beiden Brüder brav Jura studierten, brach Jimmy die High School ab und eiferte berühmten Schmugglern und Drogenhändlern nach, die es im texanischen El Paso, an der mexikanischen Grenze leicht zu Heldenruhm bringen konnten.
Und Jamiel Chagras Glück hieß: Kokain. Die Droge aus Südamerika, die Ende der 60er Jahre ihren Siegeszug durch die USA antrat, brachte Chagra, zu diesem Zeitpunkt nicht älter, als Mitte 20 innerhalb von kürzester Zeit mehr Geld ein, als er in einem normalen Leben jemals wieder würde ausgeben könnte.
Doch wenn es einen Ort auf der Welt gab, wo das trotzdem gelingen konnte, dann Las Vegas. Und dort trat Jamiel Chagra, wie ein König auf. Später sagte er über die goldenen 70er in Sin City:
„Wenn ich nach Vegas kam, dann war meine Suite im Caesars voller Show Girls. Lisa Minelli schaute auf einen Drink vorbei. Du brauchtest nur einen Koffer voller Geld und sie behandelten dich wie einen Gott. Für Leute wie mich konnte es keinen besseren Platz geben.“
Doch trotz der riesigen Dollarberge, die Chagra unter den High Rollern verteilte, schien er jede Minute zwischen den Haien zu genießen. Es war – das berichten zahlreiche Augenzeugen – keine Seltenheit, dass er eine Million Dollar in einer Nacht an einem Craps-Tisch liegen ließ.
In den 70er Jahren lebte er praktisch im Caesars Casino. Wenn er in die Stadt einschwebte, hatte er in der Regel einige massive Kisten voller Cash dabei, die er im Kassenraum des Caesars deponierte.
Seine Beziehung zum Caesars soll derartig eng gewesen sein, dass er selbst dem Casino nach langen Pechsträhnen an den Baccarat-Tischen für 24 Stunden 10 Millionen Dollar lieh.
Chagras Großzügigkeit war aber vor allem auch beim Casino-Personal legendär. Einer Kellnerin, die ihm eine Flasche Wasser brachte, gab er 10.000 Dollar Trinkgeld. Und nach einer langen Glückssträhne beim Craps tippte er den Croupier gar mit unglaublichen 600.000 Dollar. Bis heute soll keiner in Las Vegas einen höheren Tipp erhalten haben.
Besonders erfreut waren aber die Poker High Roller, wann immer Chagra im Binions Horseshoe auftauchte. „Amarillo Slim“ Preston, Doyle Brunson, Jack Strauss, Chip Reese, Puggy Pearson und Johnny Moss – sie alle forsteten ihre Bankroll mit Chagras Millionen auf.
Ganz ohne Risiken war Chagras Spiel für die Pro`s allerdings nicht. Ähnlich wie Andy Beal Jahre später, pflegte er seine weitaus besseren Kontrahenten mit dem einzigen Mittel unter Druck zu setzen, welches ihm zur Verfügung stand: dem permanenten Anheben der Blinds.
An einem typischen Chagra-Pokertisch betrug das minimale Buy In 50.000 Dollar. Allerdings kaufte man sich in der Regel mit deutlich mehr ein. Es passierte nicht selten, das Chagra den Blind auf $20.000 erhöhte, stets begleitet von dem Spruch: „Just to live up the game a little.“
Doch das Spiel im wirklichen Leben, außerhalb der Traumwelt von Las Vegas schien Jimmy Chagra mehr und mehr zu entgleiten. Der Anfang vom Ende war wohl 1978, als Jimmys älterer Bruder Lee erschossen in seiner Rechtsanwaltskanzlei aufgefunden wurde. Lee Chagra hatte mit der Verteidigung von Drogenhändlern ein Vermögen verdient.
Er konsumierte Unmengen von Kokain und pflegte Hunderttausende von Dollar in seinen Cowboy-Stiefeln herumzutragen. Es war sicherlich kein Zufall, dass Lee Chagras Mörder mit 450.000 Dollar verschwand – exakt jener Betrag, den Bruder Jamiel Mafia-Boss Joe Bonnano sr. wegen eines geplatzten Drogen-Deals schuldete.
Und auch für Chagra selbst wurde es langsam eng. Er stand wegen eines größeren Marihuana-Schmuggels vor Gericht und sein Richter hieß ausgerechnet
John H. Wood Jr., der für die langen Haftstrafen, welche er in der Regel für Drogenhändler durchsetzte, nur „Maximum John“ genannt wurde. Mit einer sagenhaften Bestechungssumme von zehn Millionen Dollar versuchte Chagra die Gerichtsverhandlung zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Als John Wood das Angebot ablehnte, war Jamiel „Jimmy“ Chagras Schicksal endgültig besiegelt. Noch einmal kehrte er nach Las Vegas zurück, wo er Charles Harrelson traf. Harrelson war nicht nur ein gut beschäftigter Auftragsmörder, sondern bereits Vater eines Sohnes, der Jahre später als Woody Harrelson in Hollywood Karriere machen sollte.
Harrelson erhielt von Chagra 250.000 Dollar und erschoss Bundesrichter John Wood wenig später vor dessen Haus in San Antonio.
John Wood war der erste ermordete Bundesrichter im 20. Jahrhundert. Die FBI-Ermittlungen waren deshalb die umfangreichsten seit dem Attentat auf John F. Kennedy. Trotzdem konnte Chagra der Auftrag an Charles Harrelson nie bewiesen werden.
Anwalt Oscar Goodman, der den nach seinen Worten „Jahrhundert-Fall“ gerne angenommen hatte und der später Bürgermeister von Las Vegas wurde, erinnert sich an die erste Begegnung mit seinem Klienten: „Er war ein Stück lebende Vegas-Legende, ein Mythen umrankter Spieler und größter Trinkgeld-Geber aller Zeiten. Der Typ war einfach bigger than life.“
All das half Chagra am Ende aber nichts. Wegen Drogenhandel, Bestechung von Justizbehörden und einem missglückten Attentat auf US-Staatsanwalt James Kerr verschwand der Drogenkönig von Las Vegas zwischen 1979 und 2003 für insgesamt 25 Jahre in texanischen Gefängnissen.
Nach seiner Entlassung lebte er mit Hilfe des Zeugenschutzprogramms als James Madrid ein Leben abseits von Glamour und Verschwendung. 2006 soll der einstige Lieblingsgast der Vegas High Roller mit einigen Freunden noch einmal die WSOP besucht haben. Erkannt hat ihn dort keiner.
2003 starb Jimmy Chagra als 64-Jähriger an Krebs. Bedauert haben ihn, dessen Aussehen und Biographie die Coen- Brüder zu ihrer Figur des Killers Anton Chigurh im oscarprämierten Film „No Country for Old Man“ (übrigens mit Woody Harrelson) inspiriert hatte, nicht nur die, welche ihn kannten, sondern auch die, welche mit ihm am Pokertisch gesessen hatten.
Jamiel „Jimmy“ Chagra hat Millionen an sie verloren und wird als einer der größten Verlierer die Poker jemals gesehen hat in die Geschichte eingehen.
Kapitel 5: Larry Flynt - Der Pornokönig
Hustler-Gründer und Skandalfigur Larry Flynt ist für viele Laster bekannt. Dass er auch ein leidenschaftlicher Gambler und Pokerspieler ist, verwundert daher nicht. Doch nur wenigen ist bekannt, dass Flynt jahrelang den Norweger Thor Hansen mit erheblichen Summen stackte, fast einmal Stu Ungar vergiftet hätte und sein eigenes Casino besitzt.
Das Leben Larry Flynts ist durch den Film „The People vs Larry Flynt“ mit Woody Harrelson und Courtney Love längst bekannt. 1942 geboren, machte Flynt zunächst mit Oben-Ohne Bars und später vor allem mit dem Hustler- Magazin Millionen.
Geld, das den Selfmade-Millionär allerdings nicht beschützen konnte. Er war Angeklagter in einem der wohl größten Gerichtsverfahren der USA, in dem es um nichts Geringeres als die Pressefreiheit ging. Flynt marschierte danach ins Gefängnis, wobei die Herausgabe seines pornografischen Hustler-Magazins nie verhindert werden konnte.
Doch die amerikanische Öffentlichkeit hatte sich in dieser Frage längst radikalisiert. Nach einer Gerichtsverhandlung hatte ein Heckenschütze versucht, Larry Flynt zu erschießen. Flynt überlebte, war danach jedoch querschnittsgelähmt.
Seinen Lebensmut ließ sich Pornokönig Larry Claxton Flynt Jr. allerdings nicht nehmen. Und auch nicht den Spaß an einem seiner größten Hobbys: Poker.
Wie viele Amerikaner hatte er bereits im Kindesalter Bekanntschaft mit dem Spiel gemacht und irgendwann auch das nötige Kleingeld, um sich mit den Besten zu messen.
Flynt, der heute auf ein Vermögen von ungefähr 400 Millionen Dollar geschätzt wird, war bereits Mitte der 70er Jahre reich und deshalb an den Pokertischen gern gesehener Gast.
Bezüglich seiner Pokerverluste, die seit nunmehr 40 Jahren nach eigenen Einschätzungen bei drei Millionen Dollar pro Jahr liegen, hat Larry Flynt trotzdem ein entspanntes Verhältnis:
„Geld ist für mich nicht wichtig. Ich will mit den besten Spielern spielen und mir bei einem Sieg einen besonderen Kick holen. Dafür bin ich bereit, im Zweifel auch drauf zu zahlen. Ich könnte leicht gegen schlechtere Amateure spielen und zuverlässig gewinnen. Aber das macht mir eben keinen Spaß.“
Was Larry Flynt unter Spaß versteht, konnte man besonders gut in einer TV-Dokumentation aus dem Jahr 2004 sehen, die Flynt in seinem eigenen Hustler-Casino in Gardena/ Kalifornien zeigte.
Flynt saß dabei an einem $2.000/ $4.000 ($500 Ante) Seven Card Stud-Tisch. Seine Kontrahenten hießen Chip Reese, Phil Ivey, David Oppenheim, Frank Thompson und Danny Robison.
Ein durchschnittlicher Pot belief sich auf um die $40.000. Das Spiel verlief schnell und aggressiv. Ein Dealer erzählte, dass Flynt im Monat so um die 300.000 Dollar verlor. Und das, obwohl er als zumindest ausgezeichneter Seven Card Stud-Spieler galt.
Bei all den immensen Verlusten, die Flynt mit Sicherheit zu einem der größten Draufzahler in der Geschichte des Poker machen, kann der Hustler-Herausgeber aber auch einige Erfolgsgeschichten erzählen.
So war einer seiner Lieblingsgegner ausgerechnet der Jahrhundert-Gambler Stu Ungar. Über ihn erzählte Larry Flynt:
„Stu hatte ein fürchterliches Temperament, und es war deshalb ein Leichtes ihn zu irritieren. Ich erinnerte mich an ein Spiel, in dem ich meine Straight bekam und Stu mit einem Set der Angeschmierte war. Er machte eine Bet, ich ging all in und er callte. Stu sah meine Karten, sagte „Fuck this“ und warf den Tisch um.“
Einmal versuchte Stu Ungar seiner schwerreichen Nemesis sogar einmal einen Mordversuch anzuhängen. Bis Mitte der 90er Jahre lebte Larry Flynt mit immensen Schmerzen, eine Folge der Kugeln, die der Heckenschütze 1978 abgefeuert hatte und die den Pornokönig an seinen 100.000 Dollar teuren Rollstuhl fesselten.
Die Schmerzen hatten ihn von einem narkotischen Drink, bekannt als Brompton-Cocktail abhängig gemacht. Der Cocktail besteht aus 60% Morphium, 30% Alkohol und 10% Kokain. Für Larry war es wegen seiner Verletzungen legal, den Drink zu sich zu nehmen.
Und eines Tages wollte der drogenabhängige Stu Ungar auch einen solchen Cocktail. Er bekam ihn und ging auf die Toilette, um ihn zu trinken. Als er nicht zurückkam, wurden zwei Personen rausgeschickt, um zu sehen, was passiert war.
„Sie fanden ihn völlig besinnungslos auf dem Boden liegend. Als er wieder zu sich kam, beschuldigte er mich des Mordversuchs“, erzählte Larry Flynt in einem Interview.
Doch Flynt hatte beim Poker nicht nur seinen makabren Spaß, sondern versuchte in dem Business auch vernünftige Entscheidungen zu fällen. So stakte er über viele Jahre den Norweger Thor Hansen, der Jahrzehnte lang in den USA gelebt hat, bevor er vor zwei Jahren anch Europa zurückkehrte.
Und er kaufte sich 1998 sein eigenes Casino. In das Pleite- Casino El Dorado steckte Flynt 30 Millionen Dollar und möbelte den herunter gekommenen Laden wieder auf.
Deshalb muss Larry Flynt in der Geschichte des Poker zwar als einer der größten Loser bezeichnet werden, aber mit einer besonderen Fußnote. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Verlierern konnte sich der legendäre Herausgeber des Hustler seine Verluste immer leisten.
Kapitel 6: Nick "The Greek" Dandolos - Der moderne Sokrates
Nicholas Dandolos war schon zu Lebzeiten eine Legende. Superreiche Geschäftsleute stakten ihn, Albert Einstein wählte ihn bei einem Besuch in Las Vegas als Führer durch die Stadt und sein legendäres Poker-Duell 1949 gegen Johnny Moss war quasi die Geburtsstunde der World Series of Poker.
Es gibt wohl keinen Gambler in der Geschichte des Poker, der mehr Geld gewonnen oder verloren hat, als Nick „The Greek“ Dandolos. Es wird geschätzt, dass er in seiner Gambler-Karriere 500 Millionen Dollar umgesetzt hat.
Nicholas Andreas Dandolos wurde 1883 in Rethymon auf Kreta geboren. Sein Vater war Teppichhändler und sein Großvater, in alter griechischer Tradition, Reeder.
Nick wuchs, im Gegensatz zu den meisten Gamblern seiner Zeit, wohlhabend und privilegiert auf. Seinen Abschluss an einem griechisch-evangelischen College machte er in Philosophie.
Als er 18 Jahre alt war, schickte ihn seine Familie nach Amerika, damit er sich dort auf eine erfolgreiche Business- Karriere vorbereiten konnte.
Doch dem jungen Nicholas war ein ganz anderes Schicksal beschieden. Bei einem Kurztrip nach Montreal lernte Dandolos den bekannten Jockey Phil Musgrave kennen.
Als er seine erste Pferdewette platziert hatte, wusste er was er war – ein Gambler. Nick hatte ein außergewöhnliches Talent für mathematische Zusammenhänge, und Musgrave die Erfahrung im Wett-Business. Gemeinsam verdienten sie ein Vermögen.
Am Ende der Saison hatte der Grünschnabel eine halbe Million Dollar in der Tasche. Doch sein Weg führte in ohne Umwege in die Casinos von Chicago, wo er bei Poker und Craps alles wieder verlor.
Und der junge Grieche interpretierte die Rolle eines Berufsspielers auf bis dahin ungekannte Weise. Er spielte lange und hart und ohne Rücksicht auf Verluste.
100.000 Dollar (die einem heutigen Wert von etwa 1,6 Millionen Dollar entsprechen) in einer Session zu verlieren wurde für ihn schnell zur Normalität.
Eine solche Session konnte bei Dandolos bis zu zehn Tage dauern, wie einmal in New York. Es soll danach nie wieder einen vergleichbaren Verlust in einer einzigen Craps-Session gegeben haben.
Als das Glücksspiel 1931 in Nevada legalisiert wurde, war Nick „The Greek“ längst eine lebende Legende.
Der Mann, über den man einst sagte, er wäre wie dafür geschaffen in einem Casino zu überleben, hatte mit knapp 50 Jahren seine perfekte Spielwiese gefunden. 24 Stunden Action – es konnte keinen besseren Platz für den König der Gambler geben.
Und Nick ging auch in Las Vegas seinen eigenen Weg. Er spielte mit seinem Geld und niemals für das Casino. Er hielt seinen Mund und bezahlte pünktlich sein Schutzgeld.
Es gab niemanden, der ihn nicht gern an seinen Spieltischen sah. So auch Benny Binion. Ihn fragte Nick „The Greek“ 1949 nach dem besten Pokerspieler des Binions Horseshoe.
Er wolle eine Party Heads-up gegen ihn spielen. Binion rief seinen alten Protege Johnny Moss an.
Der tingelte wie alle Texas Road Gambler zurzeit durch die Städte des Südens, stets auf der Suche nach einer lohnenswerten Pokerpartie. Johnny Moss ließ sich von Binion nicht lange bitten.
Nur wenige Tage später setzten sich Moss und Dandolos an einen Tisch, den sie fünf Monate lang, so besagt es die (unbewiesene) Legende, nur noch zum Essen und Schlafen verlassen sollten. Über diesen Zeitraum war die Partie eine öffentliche Attraktion in Binions Casino (clevererweise soll Binion den Tisch genau hinter einem riesigen Schaufenster platziert haben).
Ein besonderer Reiz der Auseinandersetzung bestand darin, dass mit Moss und Dandolos zwei Menschen aufeinander trafen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten.
Nick „The Greek“ war 67 Jahre alt und hatte alle großen Gambler im Osten der USA, inklusive Mafia-Boss Arnold Rothstein gecrasht.
Moss, 25 Jahre jünger, eilte derselbe Ruf bezüglich des Südens voraus. Der Grieche war gebildet, distinguiert, sozial und sehr kommunikativ. Moss hingegen war kein Akademiker, aber ruhig, berechnend und distanziert.
Dandolos hatte zwar jeden großen Gegner im Norden und Osten der USA besiegt, aber in Moss sollte er letztlich seinen Meister finden.
Für viele Beobachter war klar, warum. Rein technisch nahmen sich die Kontrahenten nicht viel. Dandolos soll anfänglich das Match gar dominiert haben.
Aber Moss wusste um die Dämonen des Action-Junkies an der anderen Seite des Tisches. Während der deutlich jüngere Moss seine wenigen Pausen nutzte um zu regenerieren, spielte Nick Craps.
Es war nur eine Frage der Zeit bis ihn sein klarer Verstand verlassen musste.
Und Moss war ein Mann mit großer Geduld. Nach einer letzten vernichtenden Session stand Dandolos auf und sagte einen der legendärsten Sätze der Pokergeschichte: „Mister Moss, I think I have to let you go.“
Jahre später sollte Benny Binion genau dieser Wettkampf zur Ausrichtung der ersten World Series of Poker inspiriert haben.
Über seine gesamte Spielerkarriere, so erinnerte sich Nick Dandolos in seinen späten Tagen, sei er 73 Mal reich und ebenso oft pleite gewesen.
Ein alter Freund erinnerte sich: „Er konnte tagelang spielen, ohne zu schlafen. Es gab Zeiten da war er kurz vorm Zusammenbrechen und auf medizinische Hilfe angewiesen. Ein Arzt untersuchte ihn dann, während er irgendwelche Einsätze tätigte.“
Den unberechenbaren Edel-Gambler Dandolos umrankten zeitlebens zahlreiche Mythen.
Er soll nicht nur im Werk von Platon und Aristoteles Zuhause gewesen sein, sondern auch mehr als ein halbes Dutzend Sprachen beherrscht haben.
Außerdem sagte man ihm nach, er sei ein überaus talentierter Verse-Schmied und Poet gewesen.
„Er lebte das Leben eines modernen Sokrates“ sagte einmal ein enger Freund von Dandolos. „Er glaubte an keinerlei materielle Werte.“
Viele Zeitgenossen des Griechen glauben heute, dass er seit dem Duell gegen Johnny Moss 1949 - bei dem er wohl um die vier Millionen Dollar verloren hatte – bis zu seinem Tod 1966 mehr oder weniger bankrott war.
Er borgte sich überall unglaubliche Summen oder ließ sich von Superreichen, wie zum Beispiel von Universal Studios Gründer Carl Laemmle staken.
1966 verließ ein generöser Gentleman-Gambler, der über fünf Millionen Dollar für wohltätige Zwecke gespendet, der zahllosen Kindern von Freunden das College und Tausenden die Krankenhaus-Rechnungen bezahlt hatte, diese Welt.
Aufgrund mangelnder finanzieller Mittel hatte er in seinen letzten Jahren $5 Limit Draw Poker in Gardena, Kalifornien gespielt.
Auf die Frage, ob es sich nicht merkwürdig anfühle, früher einmal um Millionen gespielt zu haben und jetzt um Cents antwortete Dandolos relaxt: „Es ist doch Action, oder etwa nicht?“ Bis zum Schluss lebte Nick „the Greek“ Dandolos nach seinem eigenen Leitsatz:
„Das Zweitbeste nach Spielen und Gewinnen ist Spielen und Verlieren.“
1979 wurden er und Johnny Moss gemeinsam als erste Spieler überhaupt gemeinsam in die Poker Hall of Fame aufgenommen.
Kapitel 7: Benny Binion - Der Erfinder der World Series
Lester „Benny“ Binion kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Las Vegas und veränderte die Stadt für immer.
Nach dem Motto „If you want to get rich, make little people feel like big people“ machte er das „Horseshoe“ schnell zum besten Casino von Sin City. Die größte Leistung des raubeinigen Marketing-Genies war allerdings die Erfindung der World Series of Poker.
Als sich Mitte der 70er Jahre die ersten Zeitungsreporter und Fotografen anfingen für die World Series of Poker zu interessieren, war es vor allem der Charme des kräftig händeschüttelnden Benny Binion, dem alle sofort verfielen.
Der Erfinder und Ausrichter des schillernden Poker-Events war eine mehr als echte Gestalt inmitten dieser Welt voller Fakes und trügerischer Illusionen.
Thomas „Amarillo Slim“ Preston beschrieb seinen langjährigen Mäzen mit den Worten „he was either the gentlest bad guy or the baddest good guy you‘ve ever seen“. Benny Binions Kommentar dazu sei gewesen: „Hard times make hard people“.
Und Binion wusste, wovon er sprach. Am 20. November 1904 in Pilot Grove (US-Bundesstaat Texas), einem gerade mal 193 Einwohner zählenden Dorf geboren, musste Little Benny schon von Beginn an um seine Existenz kämpfen.
Wegen seiner kränklichen Natur wurde Binion nicht in die Schule geschickt, sondern mitten ins raue Landleben geworfen.
Und die „Get tough or die“ Strategie des Vaters ging auf. Binion sagte später:
„Er setzte mich einfach aufs Pferd und ich - kaum fünf oder sechs Jahre alt - lebte das Leben harter Männer. Mit zehn Jahren trat ich eigenständig als Pferdehändler auf, und bekam mit, wie all die Farmer, Rancher und Trapper ganz wild danach waren, ihre gerade verdienten Dollar beim Glücksspiel wieder auf den Kopf zu hauen.“
Kurz vor der Weltwirtschaftskrise wurde es auch für Benny Binion schwierig, mit ehrlicher Arbeit Geld zu verdienen.
Er versuchte sich als Schwarzbrenner, flog zweimal auf und merkte, dass er dazu kein Talent besaß.
Das florierende - illegale - Glücksspiel kam ihm da schon mehr entgegen, und Binion erkannte seine Chance.
Mit 50 Dollar startete er eine eigene Lotterie in der Nachbarschaft. Nach nur einer Woche hatte er daraus 800 Dollar gemacht.
Spätestens ab Anfang der 30er Jahre zeigte sich, dass Benny Binion auch die notwendige Skrupellosigkeit besaß, um sich in einem gewalttätigen Umfeld durchzusetzen.
Bei einem Streit mit Frank Bolding, einem für seine Brutalität berüchtigten Rum-Schmuggler erschoss er den Konkurrenten, bekam aber wegen Notwehr nur zweieinhalb Jahre auf Bewährung.
Benny Binion – mittlerweile in seinen besten Jahren – wollte ganz nach oben. Sein nächster Schritt führte ihn nach Dallas, das wie alle texanischen Großstädte dank der Reichtümer aus Öl- und Viehwirtschaft nur so strotzte.
Binion organisierte sein eigenes kleines Casino und räumte mit wachsendem Erfolg weitere Konkurrenten aus dem Weg.
Einer von ihnen war Sam Murray, Ben Frieden ein anderer. Beide wurden mit mehreren Schüssen niedergestreckt. Jedesmal kam Binion ohne Strafe davon, weil er angeblich aus Notwehr gehandelt hatte.
Dallas stand irgendwann unter der Kontrolle von Benny Binion, und mit einer Menge Geld in der Tasche war es für ihn ein Leichtes, Politiker und Polizei zu schmieren.
In seinen Hochzeiten soll Binion im Jahr mehr als 600.000 Dollar an Bestechungsgeldern bezahlt haben.
Ende des zweiten Weltkriegs machte sich jedoch die Mafia aus Chicago in Dallas ansässig. Der Kandidat, den Binion auf der Gehaltsliste hatte, verlor die Bürgermeisterwahlen, und in Dallas kam es zu wilden Verteilungskämpfen.
Binion musste sich geschlagen geben, packte seine Frau, Teddy Jane, seine drei Kinder, seinen schwarzen, über zwei Meter großen Bodyguard „Gold Dollar“ und zwei Millionen Dollar in Cash ins Auto und fuhr nach Las Vegas.
Sin City war zu dieser Zeit zwar ebenfalls in den Händen der Mafia, jedoch gelang es dem Binion-Clan, schnell Fuß zu fassen.
Benny kaufte das Casino El Dorado in der Fremont Street und nannte es in Binion`s Horseshoe um.
Zunächst verfolgten den aufstrebenden Casino-Magnaten aber noch die Geister der Vergangenheit. Und die traten vor allem in Gestalt von Herb „The Cat“ Noble, einem anderen Boss-Gambler auf den Plan.
Noble hatte einige von Binions loyalsten „Mitarbeitern“ aus dem Weg geräumt und war danach selber Ziel von nicht weniger als zwölf Mordversuchen geworden.
Nachdem Nobles Ehefrau durch eine Autobombe getötet worden war, soll Noble angeblich geplant haben, mit einem Flugzeug voller Sprengstoff in Binions Haus zu fliegen.
Der Anschlag wurde von der Polizei vereitelt und Noble nach Anschlag Nummer 13 per Briefkastenbombe doch noch ins Jenseits befördert.
Der Vegas-Mafia gefiel es allerdings überhaupt nicht, dass der Neuling seine Ankunft mit solch einem Feuerwerk garnierte.
1951 verlor Binion nicht nur seine Glücksspiellizenz, sondern wurde auch wegen Steuerbetrugs angeklagt.
Binion wurde glaubhaft gemacht, er müsse sich schuldig bekennen, könne sich aber mit einem kleinen Obolus freikaufen.
Als er jedoch nach Dallas fuhr und sich tatsächlich stellte, wurde er 1953 sofort für fünf Jahre ins Gefängnis gesperrt.
Obendrein musste Benny wegen der immensen Gerichtskosten Anteile am Horseshoe verkaufen. Erst 1964 war das Casino wieder vollständig im Besitz der Familie.
Den Ehrgeiz Benny Binions konnte allerdings auch das Gefängnis nicht brechen. Nach seiner Rückkehr nach Las Vegas machte er das Horseshoe zum besten Casino der Stadt.
Er erkannte frühzeitig, was notwendig war, um die Spieler bei Laune zu halten. Seine Parole lautete „Good food, good whisky, good gamble“.
In Vegas lebten zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, als 50.000 Menschen und die meisten Spielhöllen waren dunkle, hastig zusammengezimmerte Spelunken.
Da, wo in allen anderen Lokalitäten Sägespäne lagen, wurden im Horseshoe Teppiche verlegt. Einer der bekanntesten Teppichleger in Las Vegas arbeitete so seine Spielschulden ab.
Binion war einer der Ersten, der seinen Kunden Gratis- Getränke anbot und für Essen von guter Qualität sorgte.
Dazu offerierte er den Highrollern einen Limousinenservice und organisierte ein Showprogramm. Kurzum, Benny Binion setzte neue Maßstäbe und revolutionierte die Casino- Industrie.
Doch trotz aller Geschäftsideen blieb Benny Binion ein gerissener Gangster. Nicht selten kam es vor, dass Konkurrenten einfach spurlos verschwanden.
Binion schmierte weiterhin hohe Beamte und hielt die Polizei bei Laune. Zudem musste er sich mit der Mafia arrangieren.
Sein Casino führte er mit eiserner Hand. Wenn Kunden Probleme machten, kümmerten sich die Sicherheitsmänner auf ihre Weise darum. Manche Unruhestifter trugen schwere Verletzungen oder gar Langzeitschäden davon.
Seine wachsende Paranoia vertrieb sich Binion auf seiner Ranch in Montana, wo er zusammen mit seinem Bodyguard und Chauffeur „Gold Dollar“ mit Büffelfellmantel in einem kugelsicheren Cadillac mit Büffelhörner vor dem Kühlergrill durch die Gegend fuhr.
In Vegas hingegen war Benny Binion jedoch immer der ehrenwerte Selfmade-Man und Visionär. Poker hatte ihn schon immer fasziniert, auch wenn er sich selbst als eher schlechten Spieler betrachtete.
Schon 1951 organisierte Binion als Touristenattraktion ein legendäres High Stakes Pokermatch zwischen Johnny Moss und Nick „The Greek“ Dandolos.
Es war sein Meisterwerk und die Geburtsstunde des größten Pokerfestivals der Welt.
Aber das war längst nicht alles. Binion setzte die Limits (beispielsweise am Craps-Tisch) hoch und sorgte so ebenfalls für neue Standards.
Wo in anderen Casinos 50 Dollar das Limit war, machte er 500 daraus. Außerdem nahm er Wetten in jeder Höhe an, solange es diese noch nie gegeben hatte.
Das hatte den Effekt, dass Leute aus reiner Neugier Casino kamen, dann aber ebenfalls begannen zu spielen.
Eine weitere Attraktion des Casinos war ein Hufeisen, das mit den seltenen $10.000-Scheinen im Gesamtwert von einer Million Dollar gefüllt war.
Nach 1957 hat Benny Binion nie wieder eine Casino-Lizenz besessen. Er beobachtete die Action von einem Cafétisch, während sein Sohn Jack (mit 26 schon Manager des Horseshoe) und vor allem seine Frau Teddy Jane den Laden schmissen.
Die größte Leistung des ins Abseits gestellten Marketing-Genies sollte am Ende die Erfindung der World Series of Poker werden.
Nach einem Poker-Wochenende im Jahr 1970 unter Freunden in Reno hatte er die Beteiligten zur Fortsetzung des Ausflugs ins Horseshoe gebeten und dort aus Spaß die Ausspielung der Pokerweltmeisterschaft (im ersten Jahr noch im Cash Game) ausgerufen.
Gerade mal ein Tisch wurde dafür benötigt, und der Gewinner wurde letztlich per geheimer Wahl bestimmt.
19 Jahre später wurde Phil Hellmuth der damals jüngste WSOP-Champ aller Zeiten. Der Main Event hatte schon stattliche 178 Teilnehmer, und es wurden 14 Turniere ausgetragen.
Am Ende desselben Jahres, erlag Benny Binion am 25. Dezember einem Herzinfarkt. Nur ein Jahr später wurde er in die Poker Hall of Fame aufgenommen.
Sein Clan und das Horseshoe überlebten den Tod des Anführers nur wenige Jahre. 1994 starb Ehefrau Teddy Jane, und in den Jahren danach fielen zwei seiner Kinder ihrem Drogenkonsum zum Opfer.
Die zwei übrig gebliebenen Geschwister Becky und Jack Binion lieferten sich danach eine gerichtliche Auseinandersetzung, nach der Becky das Casino übernahm und Jack ein Prozent der Anteile erhielt, um seine Casino-Lizenz für Nevada zu behalten.
2004 – das Jahr in dem Benny Binion 100 Jahre geworden wäre - wurde dem Casino, wegen anhaltender Unregelmäßigkeiten die Konzession entzogen.
Eine der größten Erfolgsstorys von Las Vegas hatte damit endgültig ihren Abschluss gefunden.
Kapitel 8: Bob Stupak - Das letzte Großmaul
Bob Stupak kam erst Anfang der 70er Jahre nach Las Vegas und schaffte es dennoch zu einer Legende zu werden. Er war der Besitzer des Billo-Casinos „Vegas World“, führte exotische Varianten wie polnisches Roulette und Crapless Craps ein und erfand die heute so alltägliche Vegas-Pauschalreise.
Später überlebte er nur knapp einen spektakulären Motorradunfall verschluckte sich aber am Bau des Stratosphere Tower.
„In einer Zeit, in der sich die verrücktesten Partytiere unter den Machern von Las Vegas längst hinter bürgerliche Fassaden zurückgezogen haben und die großen Casinos von mächtigen Trusts regiert werden, läuft einer immer noch mit größenwahnsinnigen Ideen, spektakulären Wetten und einem nicht zu schließendem Großmaul durch die vom Neonlicht beleuchteten Straßen.“
John Smith in seinem Buch „The Rise and Fall of Bob Stupak and Las Vegas Stratosphere Tower“
Als sich Steve Wynn in den 80er Jahren anschickte, dem Strip von Las Vegas ein neues, glitzerndes, luxuriöses Image zu verleihen, ging es ihm auch darum, zu verdeutlichen, dass die Zeit von Menschen wie Bob Stupak in Sin City vorbei sei.
Der polnischstämmige Besitzer des Casinos Vegas World war ebenso ungebildet wie ungehobelt und hatte die Trash-Kultur in die Spielmetropole getragen.
Allerdings gehörte Stupak auch zu dem Schlag Mensch, der Las Vegas einst nach oben gebracht hatte. So schnell sollte sich Stupak nicht geschlagen geben.
Und mit der Planung und dem Bau des Stratosphere Towers lag seine größte Leistung noch vor ihm.
Bob Stupak war 1944 in der Stahlmetropole Pittsburgh in eine Familie geboren worden, die ihren Lebensunterhalt mit dem Organisieren von Glücksspielen, vor allem Craps verdiente.
Sein Vater Chester war eine imposante Figur und für die Gambling Szene in Pittsburgh bis 1991 das, was Milliardär und Philanthrop Andrew Carnegie für die Stahlindustrie war.
Stupak sagte später über seine frühe Prägung: „Ich dachte als Kind immer: das ist also, was Erwachsene tun. Sie werfen Würfel gegen eine Wand.“
Bob Stupak begann seine Karriere wie viele andere, die später einen ähnlichen Lebensweg einschlugen. Er brach die Schule ab und schlug sich zunächst mit diversen Jobs durch.
Als Sänger beispielsweise. Als „Bobby Star“ brachte er es zu acht Single-Auskopplungen, bevor der Plattenfirma aufging, dass es ihr Schützling in der Branche nicht weit bringen würde.
Als nächstes probierte es „The Polish Maverick“, wie er sich immer wieder nannte mit dem Job eines professionellen Motorradrennfahrers.
Zwar konnte er einige Trophäen gewinnen, aber letztlich brach er sich bei einem Unfall beide Beine. Seine Leidenschaft für Motorräder sollte ihn später fast das Leben kosten.
Mit Anfang 20 hatte Bob Stupak zunächst die Nase voll von Amerika und probierte sein Glück in Australien, wo er zweimal heiratete und ein erfolgreiches Klein-Geschäft aufzog. Doch klein reichte Stupak nicht. Sein Traum war ein eigenes Casino.
Und das ging nur in Las Vegas. Also ging er 1971 zurück, kratzte alle seine Dollar zusammen, borgte sich noch einiges bei den Freunden seines Vaters und kaufte ein Stück Land mit einem alten Parkplatz darauf.
Dort eröffnete er 1974 „Bob Stupak`s World Famous Gambling Museum“. Später machte Bob Stupak gerne Witze darüber, dass das Namensschild länger gewesen wäre, als das Gebäude selbst.
Doch der erste Versuch in Vegas als Casino-Mogul zu reüssieren, ging kräftig schief. Noch nicht mal zwei Monate nach der Eröffnung fing eine Klimaanlage Feuer und das gesamte Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder.
Doch Stupak hatte Blut geleckt. Er borgte sich eine weitere Million und eröffnete das Casino Vegas World. Seine Konkurrenten hatten dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Zu weit vom Strip entfernt. In einen von Kriminalität geplagten Gebiet. Keine Chance.
Aber Bob Stupaks größtes Talent lag im Marketing. Neben den etablierten Spielformen gab es auf einmal exotische Varianten, wie Polnisches Roulette, Crapless Craps, Double Exposure 21 und Experto.
Außerdem wurden gigantische Einsätze akzeptiert und manchmal sogar die Quoten für Wetten zugunsten des Kunden verändert, nur um die Action aufzudrehen.
Und der frisch gebackene Casino-Besitzer erfand ein System, um die amerikanische Mittelklasse mit unschlagbaren Pauschalangeboten nach Las Vegas zu locken.
Einer seiner Tricks bestand darin, zum Package vier freie, quietschbunte Postkarten zu liefern, die an Verwandte und Bekannte verschickt werden sollten. Dafür gab es einen Extra-Briefkasten in der Hotel-Lobby.
Sogar die Briefmarken bezahlte Stupak. Das Schlitzohr erwähnte dabei nicht, dass er die Adressen notierte und eigene Briefe mit Promotion-Angeboten verschickte.
Stupak erreichte so in nur einem Monat bis zu 15.000 potentielle Kunden. Und verlieh dem später häufig kopierten System mit Vegas-Gesamt-Packages und Dumping-Angeboten eine ganz neue Dimension.
Innerhalb von kurzer Zeit verwandelte sich sein 100 Zimmer Hotel-Casino mit einem Jahresumsatz von einer Million Dollar in ein 1.000 Zimmer-Monster mit einem Jahresumsatz von 100 Millionen.
Casino-Mogule wie Steve Wynn schauten verächtlich auf das Haus des Emporkömmlings. Das Moon Rock Buffet galt als das schlechteste in ganz Las Vegas, und im Casino soll es unerträglich nach Rauch, Schweiß und sogar Erbrochenem gerochen haben. Bob Stupak war der Eigner eines Kitsch-Palastes mit unfassbaren Angeboten.
Und trotzdem lief der Laden so gut, dass sich Bob Stupak in den frühen 80er Jahren entschied professioneller Pokerspieler zu werden.
Er heuerte Puggy Pearson als Coach an. Mit einem gewissen Erfolg: 1989 gewann Stupak ein Bracelet in einem $5.000 2-7 Draw-Event, und 2003 erreichte er den Final Table beim WPT- Turnier L.A Classics.
1983 nutzte er sein neues Hobby, um den Wirbel um seine Person und „Vegas World“ zu vergrößern. Er hielt eine eigene Pokerturnier-Serie namens „America`s Cup“ ab und versprach dem Gewinner seinen Rolls Royce sollte er im Heads Up gegen ihn gewinnen. Er behielt sein Auto und gewann auch eine $500.000 Wette, in der es darum ging den Poker-Computer ORAC zu schlagen.
Im selben Jahr kandidierte Stupak um den Bürgermeisterposten von Las Vegas und wurde Zweiter. Sein Ego war allerdings so aufgeblasen, dass er sein Porträt nicht nur von jeder Wand seines Casinos lächeln ließ, sondern es auch in den Teppichen und selbst auf Cocktail- Gläser verewigte.
In ganz Las Vegas hingen riesige Werbeschilder, auf denen der lächelnde Bob Stupak für sein Casino warb. Sein Spruch: „Leicht zu schlagen, weil ja von einem Polen angeboten.“
Doch Bob Stupak hatte sein ehrgeizigstes Projekt noch vor sich. Ende der 80er Jahre stellte er beim Blick auf das benachbarte Sahara fest, dass dessen gigantische Marquise dafür sorgte, dass die Leute sich dachten „das sieht interessant aus und ist nur ein leichten Spaziergang entfernt“.
Das Vegas World hatte hingegen kaum Laufkundschaft. 80 Prozent waren in dem Casino, wegen seiner unschlagbaren Promotionen.
Während einer Reise zu seiner Tochter nach Sydney besuchte er den dortigen Aussichtsturm und stellte fest, dass der Aufzug bis zur Spitze 5 Dollar kostete. Als er die durchschnittliche Besucherzahl von 20.000 pro Tag hörte, war die Idee vom Stratosphere Tower, Las Vegas höchstem Gebäude geboren.
Doch schon 1993 war Stupak nicht mehr in der Lage das Katastrophenprojekt aus eigener Tasche zu stemmen. Er entließ sich selbst als Bauherr und wurde vom neuen Besitzer Lyle Berman zum Mitinvestor degradiert.
Auch die Eröffnung erlebte Bob Stupak nicht. Kurz vor der Einweihung des neuen Wahrzeichens von Sin City geriet der Motorradfan zusammen mit seinem Sohn in einen Unfall.
Sein Sohn brach sich lediglich ein Bein, aber Stupak wurde schwer verletzt. Sein komplettes Gesicht war zertrümmert, jeder einzelne Knochen gebrochen.
Ein Freund sagte später über Stupaks Zustand: „Das war das Schlimmste, was ich jemals gesehen habe. Es war eigentlich unmöglich, dass er noch lebte. Sein Kopf war durch die vielen Brüche auf die Größe eines Basketballs angeschwollen.“
Doch selbst in seinem Überlebenskampf verließ Stupak nicht der Glanz. An seinem Bett wachte über Wochen, die in ganz Amerika bekannte Sängerin Phyllis McGuire, einst die Favoritin von Sam Giancana, Chicagos legendärem Mafia-Boss.
Bob Stupak soll durch sein Desaster mit dem Stratosphere Tower persönlich 200 Millionen Dollar verloren haben.
Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, bis zu seinem Tod 2009 (durch Leukämie) weitere Casino-Projekte anzukurbeln. Einer seiner Lieblingspläne bestand darin die Titanic in Las Vegas nachzubauen.
Ein besseres Symbol für das Leben von Bob Stupak hätte es nicht geben können. Im Gewinnen wie im Scheitern hieß es für einen der letzten schillernden Casino-Mogule von Las Vegas immer nur: Big Style.
Kapitel 9: Archie Karras oder Der heißtest "Run" aller Zeiten
Die Geschichte von Archie Karas ist ein moderner Mythos. Auf den Spuren seines berühmten Landsmannes Nick „The Greek“ Dandolos wandelnd kam er als No Name nach Las Vegas und brachte der gesamten Poker-Elite das Fürchten bei.
Innerhalb von lediglich drei Jahren machte er aus 50 Dollar 40 Millionen. Und verspielte dann alles wieder am Würfeltisch. Heute ist der Mittsechziger nur noch wegen diverser Betrügereien in den Schlagzeilen.
Als Doyle Brunson vor einigen Jahren zu Archie Karas befragt wurde, zeigte sich der Altmeister – obwohl dessen legendärer Hot Streak bereits zehn Jahre zurücklag - immer noch beeindruckt:
„Archie ist einer der wenigen Menschen, die ich kenne, die einfach keine Angst davor haben zu verlieren. Geld bedeutet dem Mann überhaupt nichts. Das Phantastische an Archie ist, dass ihm kein Verlust etwas auszumachen scheint. Er macht einfach weiter.“
Dabei wurde Anargyros Karabourniotis 1950 auf der griechischen Insel Kelafonia in bettelarme Verhältnisse geboren. Vor allem das Verhältnis zum Vater war schon früh von Härte und Gewalt geprägt.
Es gab für den jungen Archie also genügend Gründe, sich auf der Straße herumzutreiben. Und beim Murmelspiel verdiente sich Archie oft jene Mahlzeiten, die es Zuhause nicht gab. So entdeckte der spätere Mega High Roller sein Talent.
Mit 15 Jahren hatte Archie Karas dann genug vom Drangsal im elterlichen Haus. Er verließ über Nacht seine Familie. Mit seinem Vater, der vier Jahre später starb, sollte Archie nie wieder ein Wort wechseln.
Der noch nicht mal volljährige Archie heuerte zunächst auf einem Kreuzfahrtschiff als Kellner an, hatte aber schon zwei Jahre später genug vom Herumreisen und ließ sich in Los Angeles nieder.
Auch dort arbeitete er zunächst in der Gastronomie widmete sich aber nach seinen Schichten intensiv dem Spielen.
Eine benachbarte Bowling-Halle wurde zu seinem zweiten Zuhause. Zwar besserten ihm die Bowlingwetten das Gehalt kräftig auf, aber den entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Berufsspieler brachte ihm der Weg ins Hinterzimmer.
Dort standen nicht nur Billard-, sondern auch Pokertische bereit. Und Archie Karras erwies sich in beiden Disziplinen schnell als Naturtalent.
Mit 19 Jahren, so sagte er es selbst in einem Interview, „war ich mir sicher, nie wieder einen regulären Job anzunehmen. Ich war Berufsspieler.“
In den folgenden zwei Jahrzehnten war Archie Karras unzählige Male abwechselnd wohlhabend und wieder pleite.
1990 hatte er gerade mal wieder zwei Millionen Dollar verloren und entschied sich dazu, mit seinen letzten 50 Dollar nach Vegas zu gehen.
Und damit beginnt jene Geschichte, die als „The Run“ in die Poker-Annalen eingegangen ist.
Zunächst lieh sich der mittlerweile 40-jährige Grieche 10.000 Dollar bei einem ihm bekannten Gambler und investierte sie in eine Partie $200/$400 Razz, eine Variante, in der er sich selbst als ein König sah.
Wenige Stunden später lagen $30k vor ihm, er stand gegen seine Gewohnheiten auf, zahlte seinem Backer $20k zurück, behielt selber $10k und machte sich auf den Weg, um die profitablen Pool-Billard Partien von Sin City aufzuspüren.
Seine Wege kreuzten schnell die eines bekannten Geschäftsmanns und Pokerspielers, dessen Namen Archie Karras allerdings bis heute für sich behält.
Die beiden vereinbarten ein Duell im 9-Ball-Billard und begannen pro Match mit $5k, was bereits die halbe Bankroll von Archie Karas war.
Zweieinhalb Monate lang trennten sich die beiden Kontrahenten nur, um eine Mütze Schlaf zu nehmen. Je länger das Duell dauerte, desto wilder wurde die Action.
Am Ende spielten Archie Karas und sein mysteriöser Gegner um $40k pro Partie und relaxten zusätzlich bei einer wahnwitzigen Pokerpartie $8k/ $16k Seven Card Stud.
Letztlich musste Mister X seine Niederlage eingestehen und Archie Karras mit über vier Millionen Dollar ziehen lassen.
Doch für Archie Karas war das lediglich der Auftakt zu einem beispiellosen Triumphzug. Mittlerweile hatte sich seine Geschichte auch bei den Vegas High Rollern herumgesprochen, und jeder wollte sich seinen Teil aus der Bankroll des vermeintlichen Fisches holen.
Archie Karas traf also nacheinander heads-up auf die Crème de la Crème der Pokerwelt.
Der erste Kandidat war Stu Ungar, der allerdings so schnell eine Million Dollar gegen den immer mächtiger werdenden Karas verlor, dass er gar nicht wusste, wie ihm geschah.
Wenige Tage später gelang es ihm dann, die beiden weltbesten Pokerspieler Chip Reese und Stu Ungar an einem einzigen Tag um 1,2 Millionen Dollar zu erleichtern. Über diesen Coup war selbst der so stoische Grieche beeindruckt.
Gegenüber PokerNews erklärte er später: „Ich habe am Pokertisch viele phantastische Sachen gemacht. Aber am gleichen Tag Chip und Stu abzuzocken, war auch für mich etwas ganz Besonderes.“
Puggy Pearson, Johnny Moss, Doyle Brunson und Johnny Chan – sie alle spielten hoch gegen Karas und verloren.
Am Anfang zahlten ihm die Haie noch einen Big Blind pro Stunde, damit er überhaupt gegen sie antrat. Aber damit war es schnell vorbei.
Ähnlich wie später gegen Andy Beal versuchten die Pros, sich gegen die Monster-Bankroll von Archie Karas zu schützen, indem sie sich zusammenschlossen. Vorgeschickt zum Shoot-out wurde dann der Beste. Und das war meistens Chip Reese.
Doch selbst der Großmeister bekam es hinsichtlich der schwindelerregenden Höhe der Einsätze am Ende mit der Angst zu tun.
Nach einer weiteren Millionen-Session soll Reese aufgestanden sein und gesagt haben: „God made your balls a little bigger. You’re too good.”
Und kurz vor seinem überraschenden Tod 2007 erinnerte sich Chip Reese noch einmal an den furchtlosen Griechen:
„Der größte Betrag, den ich jemals in einem Pokerspiel verloren habe, war 2 Millionen gegen Archie Karas als wir $8.000/ $16.000 spielten.“
Auch Archie Karas erwies seinem Kontrahenten Respekt, indem er feststellte:
„Ich habe ihn dafür respektiert, dass er so oft gegen mich angetreten ist. Wir hatten um die 25 Kämpfe gegeneinander. Er war ein kühler Rechner und musste Angst um seine Bankroll haben. Mir hingegen bedeutete es nichts, beim Poker $10.000/ $20.000 zu spielen. Beim Würfeln hatte ich oftmals weit höhere Beträge am Tisch.“
Würfel waren es am Ende auch, die das schafften, was die gesamte High Roller Elite von Las Vegas nicht vermocht hatte: Sie zwangen Archie Karas in die Knie.
Weil kein Pokerspieler mehr mit Karas auf dessen Limits klettern wollte, musste sich der Action-Junkie wohl oder übel eine neue Spielwiese suchen.
Und die fand er schnell beim Craps und Baccarat. Und weil ihn auch dort das Glück begleitete, war der einst mittellos nach Amerika gekommene Grieche nur sechs Monate nach seiner Ankunft in Las Vegas 17 Millionen Dollar schwer.
Sein neues Zuhause wurde nun das Binion`s Horseshoe, das Vegas-Casino mit den höchsten Einsätzen.
Und zwischen dem Casino-Manager Jack Binion und Archie Karas entwickelte sich bald ein interessantes Kräfteringen, bei dem am Ende gar der Verlust des gesamten Casinos auf dem Spiel stand.
Jack Binion sollte später über Karas sagen: „Er war der mit Abstand größte Gambler, der mir je begegnet ist. Er war absolut furchtlos, was Gewinne oder mögliche Verluste betraf. Und Geld schien ihm einfach gar nichts zu bedeuten. Oftmals schlief er im Parkplatz vor dem Casino in seinem Auto, dem einzigen Besitz, den er sich von seinen gewaltigen Gewinnen jemals geleistet hat.“
Und bin Binion hatte nicht nur Respekt, sondern regelrecht Angst vor dem Händchen des Griechen. Dessen Limits waren zeitweise 15 Mal so hoch wie an den anderen Tischen. Es bildeten sich lange Zuschauerschlangen, wenn er die Würfel warf.
Und obwohl Binion, mit Einverständnis von Karas die Odds zugunsten des Casinos verändert hatte, war der Grieche drauf und dran, das gesamte Casino am Filz zu gewinnen.
Während des Jahres 1993 zockte Archie mit den Würfeln. Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat. In dieser Periode wies sein Vermögen gewaltige Schwankungen auf.
An einem Tag gewann er acht Millionen Dollar, nur um wenige Wochen später 11,5 Millionen zu verlieren. Doch insgesamt wies seine Bilanzkurve nach oben.
Trotz der schlechteren Odds war Archie drauf und dran, nach den Sternen zu greifen. Ende 1993 hatte sich Archie sämtliche 5.000-Dollar-Chips des Horseshoe-Casinos einverleibt.
Das Casino musste neue 25.000-Dollar-Chips herstellen lassen, um wenigstens einige von Archies Chips zurückkaufen zu können.
Archies Vermögen, das gerade mal zwei Jahre zuvor 50 Dollar betragen hatte, war auf satte 40 Millionen angewachsen.
Doch im Jahr 1994 riss – so wie es Jack Binion erhofft hatte – die Glückssträhne des so unbesiegbar erscheinenden Griechen schließlich. Innerhalb von nur wenigen Wochen verlor Karas 30 Millionen Dollar.
Er kehrte nach Griechenland zurück, um sich zu erholen. Aber ohne die Adrenalinräusche von Las Vegas wollte Archie Karas nicht mehr leben.
In seinem Safe lagen noch zwölf Millionen. Und die ließ Karas in weniger als einem Monat an den Baccarat- Tischen liegen. Das, was als „The Run“ in die Geschichte von Las Vegas eingegangen ist, war vorbei.
Ob er etwas bereuen würde, wurde Archie Karas später gefragt. Seine Antwort: „Hätte ich auch nur eine Ahnung davon gehabt, dass es so etwas wie einen Pokerboom geben würde, hätte ich 10 Millionen Dollar in meinem Safe behalten. Auch wenn ich zehn Jahre darauf hätte warten müssen.“
Ähnlich wie sein großer Vorgänger Nick „The Greek“ Dandolos nach seinem Duell gegen Johnny Moss konnte sich auch Archie Karas nie ganz von seiner letztlichen Pleite erholen.
Zwar belegte er im Juni 2009 beim $10.000 2-7 Lowball-Event der WSOP den fünften Platz und gewann mehr als 50.000 Dollar. Aber das waren natürlich Peanuts gegenüber den Summen, die der High Roller vorher an den Tischen bewegt hatte.
Archie Karas lebt immer noch in Las Vegas und wird an den Tischen, häufig gar nicht erkannt. Größere Schlagzeilen machte er allerdings durch eine ganze Serie von Betrugsfällen.
Ende 2013 war Karas in seinem Haus in Las Vegas verhaftet worden, weil er beim Blackjack Karten markiert haben soll.
Eine Überwachungskamera hatte aufgenommen, wie der einstige Millionär ein Färbemittel auf die Rückseiten der vollen, zehn Punkte zählenden Karten aufgetragen hatte.
Dabei war ein ausgehöhlter Chip zum Einsatz gekommen, den Archie Karas unauffällig über die Karten gestrichen hatte.
Wie Karl Bennison, der Chief of Investigation des Nevada Gaming Control Board später erklärte, war Karas bereits vorher allein im Bundesstaat Nevada viermal wegen Gambling-Betrugs festgenommen worden.
Nur in Las Vegas...