Immer wieder schaffen es Weltklassespieler, mit teils erstaunlich schwachen Händen gegnerische Bluffs zu entlarven. Aliaksei Boika aus Weißrussland krönte seine Leistung beim Main Event der EPT Malta mit einem Hero Call, der ihm nicht nur den sofortigen Turniersieg, sondern obendrein zusätzliche €100.000 Preisgeld einbrachte. Wie es dazu kam, zeigen wir in unserer Hand der Woche.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir steigen ein ins Heads-Up des Main Events der EPT Malta 2016. Übrig geblieben sind von den 468 Spielern der erfahrene Online-Profi Aliaksei Boika aus Weißrussland und der 59-jährige Schwede Mats Karlsson, den man vermutlich am besten als erfahrenen Amateur bezeichnen kann – beide haben schon über €260.000 sicher, wollen aber die Siegprämie von €355.000.
Boika hat sich nach zähem Ringen eine Führung von 10,2 Millionen (128BB) zu 3,7 Millionen (46BB) erarbeitet und hält in unserer fraglichen Hand im Big Blind
Die Blinds betragen 40.000/80.000 plus 10.000 Ante und Mats Karlsson raist vom Button auf 200.000. Boika reraist auf 625.000, worauf Karlsson nach längerem Nachdenken callt.
Im Pott sind damit 1,27 Millionen, die effektiven Stacks betragen 3,1 Millionen, und der Flop bringt
Boika checkt, Karlsson setzt 550.000 und Boika callt. Im Pott sind 2,37 Millionen, die effektiven Stacks betragen 2,55 Millionen, und der Turn bringt den
Beide Spieler checken, womit alles beim Alten bleibt.
Der River bringt die
Boika checkt erneut, und nach einer Weile geht Karlsson mit seinen restlichen 2,55 Millionen All-In.
Mehr als fünf Minuten nimmt sich Boika anschließend Zeit, um die Hand noch einmal zu durchdenken. Dann callt er und gewinnt gegen Karlssons
Hand und Turnier!
Diese entscheidende Hand gibt es im Video ab 5h 45min:
Analyse und Bewertung
Natürlich sieht es immer beeindruckend aus, wenn ein erfahrener Profispieler einen solchen Hero Call auspackt, daher lohnt es sich auf jeden Fall, diese Hand einer genaueren Prüfung zu unterziehen.
Beginnen wir vor dem Flop, wo Karlsson mit seiner überdurchschnittlichen AXs-Hand zunächst einen Raise bringt. Dieser Spielzug ist völlig in Ordnung, da er meist die bessere Hand und zudem Position hat.
Boika hat mit AJo eine im Heads-Up sehr starke Hand und übt als klarer Chipleader auch gleich mächtig Druck aus.
Ihm macht es trotz fehlender Position wenig aus, einen großen Pott aufzubauen, da er oft die gegnerische Hand dominiert und sein Gegner ab einer bestimmten Pottgröße das Ausscheiden befürchten muss.
Aus Karlssons Sicht ist die entstandene Situation nicht einfach zu handhaben. Seine Hand ist recht gut, aber auch nicht stark genug, um mit einem weiteren Reraise ein All-In zu forcieren. Unterm Strich würde er dann nur von einer besseren Hand gecallt werden und einen 4-bet-Bluff mit anschließendem Fold kann er sich kaum noch leisten.
Ein Fold wäre in Position aber allzu ängstlich, daher ist sein Call in Position die vermutlich beste Spielweise.
Boika kontrolliert
Der Flop mit Q82 und zwei Pik ist extrem trocken und hat beiden Spielern nur selten geholfen.
Boika sieht denn auch wenig Sinn darin, mit einer Continuation Bet fortzufahren, da nur wenig schwächere Hände callen können – Flush Draws und einige wenige Straight Draws.
Der Nachteil dieser Spielweise, mit der er den Showdown Value seiner Hand möglichst billig realisieren will, ist die Anfälligkeit für Bluffs, was Karlsson denn auch sogleich mit einer Bet auszunutzen versucht.
Da Boika, der vor dem Flop immerhin eine 3-Bet brachte und daher ein Spektrum mit vielen guten Assen und Paaren hat, auf diesem Board mit einer Bet kaum zum Folden gebracht werden kann, impliziert dieser Bluff aber auch ein späteres All-In, zumal der Pott nach Boikas Call fast so groß ist wie Karlssons restlicher Stack.
Verpasste Chance auf dem Turn
Als Boika auf dem Turn mit dem K♦ erneut checkt, hätte Karlsson dann auch die Gelegenheit ergreifen und All-In gehen sollen.
Er kann durchaus KQ oder sogar 88 haben, und er erzählt eine konsistente Geschichte, mit der er viele bessere Hände wie 99, 77 oder AT zum Folden bringt.
Checkt er dagegen, wird es auf dem River schwerer, einen glaubhaften Bluff abzufeuern, denn das Board ist recht gefährlich und ermöglicht nun schon einige Draws, gegen die man mit einer guten Hand seine Chips sofort unterbringen möchte.
Die 7♦, die nach Karlssons Check auf dem River umgedreht wird, ist jedenfalls eine Karte, die normalerweise nichts an den bestehenden Kräfteverhältnissen ändert.
Boika checkt zum dritten Mal und bleibt damit seinem ursprünglichen Plan treu, seinen Showdown Value zu realisieren.
Karlsson denkt hier länger nach und entscheidet sich schließlich zum All-In. Zu Recht geht er davon aus, dass Boika hier meist die bessere Hand hat, und sucht sein Heil daher im Bluff.
Gelingt er, kann er seinen Stack immerhin um in Drittel auf 5 Millionen ausbauen und seinem Gegner dichter auf die Pelle rücken – allerdings wäre diese Aktion eine Setzrunde früher deutlich glaubwürdiger gewesen.
Boika zweifelt
Das weiß auch der erfahrene Profi aus Weißrussland und er fängt daher auch sofort an, in tiefes Nachdenken zu verfallen.
Karlssons Problem ist zum einen, dass es nur sehr wenige Hände wie KQ oder 88 gibt, mit denen er auf diesem Board so spielen kann, und zum anderen, dass er damit auf dem Turn oft gesetzt hätte.
Sein Spektrum ist also wieder einmal maximal polarisiert und Boika hat mit AJ die beste Hand, die nichts getroffen hat – also sozusagen die Bluff-Nuts.
Das ist insofern von Bedeutung, dass Boika tatsächlich alle Bluffs außer abwegigen Händen wie 55 oder 44 schlägt und nicht wie in vergleichbaren Situationen befürchten muss, dass er von einem besseren Bluff besiegt wird.
Ein weiterer Faktor, der einen Call so reizvoll macht, ist der Umstand, dass Boika das Turnier im positiven Fall gewinnt und bei einem Verlust der Hand immer noch fast gleich viele Chips wie sein Gegner hätte.
Fazit
Mats Karlsson spielt diese letzte Hand der EPT Malta mutig, aber nicht mutig genug. Als er auf dem River nach einer Blank recht unvermittelt All-In geht, weckt er den Argwohn seines Gegners.
Aliaksei Boika dagegen unterzieht seinen Gegner nach dessen verdächtiger Aktion einer langen Prüfung und entlockt ihm nach einigen Minuten sogar ein paar Worte.
Vielleicht waren sie ausschlaggebend für diesen spektakulären und extrem lukrativen Call.