Was unterscheidet eigentlich die Weltklasse von den normalen Spielern? Diese Frage haben sich sicher schon viele Pokerfans gestellt, und wenn man nach Antworten sucht, ist eine gute Methode, sich Hände von Weltklassespielern anzusehen. In unserer Hand der Woche verfolgen wir ein Duell zweier absoluter Könner – Jason Mercier und Calvin Anderson – in dem es wirklich hoch hergeht.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir befinden uns im Finale des SCOOP Events 20 mit einem Buy-In von $2.100. Drei Spieler sind noch dabei und es geht in dieser Turnierphase um beachtliche Preisgeldsprünge. Die Blinds betragen 3.000/6.000 plus 750 Ante.
Auf dem Button sitzt Ryan HITTHEPANDA Franklin (380.000 Chips) und raist auf 12.780, doch hinter ihm reraist Onlinelegende Calvin "cal42688" Anderson im Small Blind auf 31.213, worauf Jason Mercier im Big Blind noch einen drauf setzt.
Er rereraist auf 82.338. Franklin foldet, aber Anderson callt. Im Pot sind damit 180.000 und der Flop bringt
Anderson checkt und Mercier setzt 68.000. Anderson callt, im Pot sind 316.000 und der Turn bringt das
Anderson checkt, Mercier setzt 109.000. Anderson callt, im Pot sind 535.000 und der River bringt
Anderson checkt und Mercier geht mit seinen letzten 329.000 All-In. Anderson foldet, Mercier gewinnt den Pot und später das Turnier, während Anderson, der vor der Hand noch Chipleader war, Dritter wird.
Und hier die Hände der Spieler:
Franklin hatte
und hätte damit die beste Hand gehabt, Anderson hielt
und Mercier hatte
Wer sich die Hand in bewegten Bildern anschauen möchte, kann dies hier tun:
Analyse und Bewertung
Wir verfolgen ein interessantes Duell dreier Weltklassespieler, an dessen Ende sich Jason Mercier eindrucksvoll mit der schlechtesten Hand durchsetzt und damit die Grundlage für seinen späteren Sieg schafft.
Zunächst bringt Ryan Franklin vom Button einen absoluten Standard-Raise. Dabei ist seine Hand deutlich stärker als sein Spektrum – in dieser Situation raist er fast jede Hand. Calvin Anderson ist recht klarer Chipleader und hat mit 9♣ 7♣ eine schöne spekulative Hand – beide Faktoren veranlassen ihn, Druck auszuüben und zu reraisen.
Damit aber nicht genug, denn dahinter sitzt Jason Mercier und hält ein Pocket Pair: 6♠ 6♣. Die Aktionen seiner beiden Gegner sagen nicht viel über die Stärke ihrer Hände aus. Franklin raiste vom Button und Anderson reraiste gegen ein schwaches Spektrum als Chipleader. Unabhängig davon hat Mercier aber eine Hand, die nur gegen bessere Paare zurückliegt und an einem Tisch mit drei Spielern meist die beste ist.
Seine 4-Bet erfüllt mehrere Zwecke. Zum einen kann er den Pot direkt gewinnen und über 50.000 Chips einstreichen, er kann die Hand aber auch später noch gewinnen, indem er entweder ein Monster (=Set) bekommt, indem er die beste Hand behält und – ganz wichtig – indem er die Initiative plus die enorme Stärke, die er mit seiner Aktion repräsentiert, zu seinem Vorteil nutzt.
Wie man sehen wird, spielte das eine wesentliche Rolle im weiteren Verlauf.
Im Sandwich und mit einem heiklen Stack muss sich Ryan Franklin aus der Hand verabschieden. Er könnte All-In gehen, doch wird seine Hand von einigen Call-Händen dominiert – kurzum seine Hand ist zu schwach für einen solchen Move.
Interessant ist allerdings der Call von Calvin Anderson. Natürlich kann und darf er nicht immer folden, wenn er von Mercier eine 4-Bet übergebraten bekommt, doch muss er mit einer spekulativen Hand, die fast nie Top Pair macht, ohne Position gegen einen der besten Spieler der Welt antreten.
Ein Grund für Andersons Call sind natürlich die Pot Odds, die mit über 2 zu 1 sehr gut ausfallen. In Wirklichkeit ist er mit 49 zu 51 nur knapper Außenseiter gegen Merciers Sechsen, doch ist es ohne Position immer schwer, seine Pot Equity zu realisieren.
Der Flop bringt mit K♥ 9♥ 8♠ eine interessante Konstellation. Anderson hat Second Pair getroffen, aber für Merciers Spektrum war er auch gut, da sich darin natürlich auch Könige befinden. Anderson checkt, worauf Mercier setzt. Jetzt kommt der oben beschriebene Plan C zum Einsatz. Mit einer Bet repräsentiert Mercier eine glaubhafte Hand und versucht so den Pot zu stehlen.
Anderson kann an dieser Stelle natürlich nicht folden – er hat einen Treffer und bekommt vortreffliche Pot Odds von mehr als 3,6 zu 1.
Nach seinem Call bringt der Turn mit dem A♣ eine Karte, die deutlich besser für Merciers Spektrum ist. Wieder checkt Anderson und jetzt gibt es für Mercier kein Halten mehr. Er weiß anhand der Flop-Action, dass seine Hand fast sicher nicht mehr die beste ist (mit Flush Draws hätte Anderson oft gecheckraist), und muss Plan C jetzt komplett durchziehen. Er setzt erneut und lässt sich einen günstigen Betrag übrig, um auf dem River All-In gehen zu können.
Calvin Anderson erweist sich einmal mehr als hartnäckig und lässt sich selbst durch diese Bet nicht von einem Call abschrecken. Alle Freizeitspieler sollten sich an dieser Stelle vorstellen, sie wären in der Haut von Jason Mercier und der Gegner würde wie eine Klette an einem kleben und lässt sich nicht verjagen. Sehr unangenehm!
Dennoch hat Andersons Call einen schweren Nachteil, denn er hat wenige Outs zur Verbesserung (fünf) und er muss auf dem River mit dem Schlimmsten – einem All-In – rechnen. Ein Fold wäre daher durchaus eine Option gewesen.
Auf dem River kommt dann die 3♥ und Anderson checkt erneut. Für Mercier ist es relativ egal, welche Karte hier aufgedeckt wurde, da er neben vielen Händen, die schon stark waren, auch einen Flush Draw repräsentieren kann. Zumindest kann er davon ausgehen, dass diese Karte Anderson fast nie geholfen hat. Interessant wäre gewesen, ob er nach einem König oder einer Neun ebenfalls All-In gegangen wären, da diese Karten am wahrscheinlichsten Anderson geholfen hätten, denn sein Spektrum enthält angesichts der bisherigen Aktionen viele Könige und Neunen.
Am Ende geht Merciers Plan C perfekt auf und er kann einen wichtigen Pot gewinnen.
Fazit
Spiele nie mit einer mittelmäßigen Hand ohne Position gegen Jason Mercier – so könnte das Fazit dieser hochinteressanten Hand lauten, in der Calvin Anderson lange hart dagegen hielt, am Ende aber gegen den unaufhörlichen Druck seines Gegners kapitulieren musste.