Oft ist beim Poker davon die Rede, dass ein Spieler Pot-committed ist, aufgrund der Größe des Potts und der Stacks also nicht mehr folden kann.
Oft ist beim Poker davon die Rede, dass ein Spieler Pot-committed ist, aufgrund der Größe des Potts und der Stacks also nicht mehr folden kann.
Doch was macht man, wenn man im Grunde callen muss, das eigene Blatt aber wenig taugt und man bei einer Niederlage seinen gesamten Stack verliert? Vor genau diesem Dilemma steht Gabriel Paul in unserer Hand der Woche, bei der es ganz nebenbei um ein Bracelet geht.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir schauen uns die entscheidende Phase des Tag Team Events der WSOP 2016 an.
Bei diesem Turnier traten Mannschaften mit zwei oder drei Spieler an, die sich abwechselten und am Ende das Preisgeld teilten.
Für das Finale qualifizierten sich das Duo Doug Polk / Ryan Fee und die eher unbekannten Spieler Adam Greenberg, Neil Mittelman und Gabriel Paul, am Tisch sitzen als Vertreter für beide Mannschaften Fee und Paul.
Beide Teams haben schon knapp $95.000 sicher, doch natürlich geht es noch um das Bracelet und weitere knapp $50.000.
Vor der Hand hat Paul noch 57BB (= 1,71 Mio) und Fee ist mit 86BB (= 2,58 Mio) in Führung, die Blinds betragen 15.000/30.000 plus 5.000 Ante.
Mit
raist Paul auf 80.000, worauf Fee auf 190.000 reraist. Paul callt. Im Pott sind damit 390.000, die effektiven Stacks betragen 1,52 Mio (51BB).
Der Flop bringt
Fee setzt weitere 275.000, Paul callt. Im Pott sind damit 940.000, die effektiven Stacks betragen 1,25 Mio (42BB).
Der Turn bringt den
Fee setzt weitere 575.000, Paul callt. Im Pott sind damit 2.090.000 (knapp 70BB), die effektiven Stacks betragen 650.000 (22BB).
Der River bringt den
Fee setzt Paul All-In, dieser callt nach zweiminütigem Nachdenken und verdoppelt auf 3,4 Millionen, weil Fee mit
brutal geblufft hat. Fee fällt auf 29 BB zurück, gewinnt das Turnier aber später noch.
Hier die Hand in bewegten Bildern:
Analyse und Bewertung
Eine ziemlich wilde Hand, die gleich mehrere interessante Situationen aufweist, die wir näher untersuchen wollen.
Vor dem Flop hat Paul mit ATs eine klar überdurchschnittliche Hand, ein Raise in Position ist da selbstverständlich.
Fee dagegen hat mit 52s eine absolute Schrotthand, lässt sich jedoch etwas Überraschendes einfallen – er reraist und baut damit direkt einen großen Pott auf.
Denn Paul lässt sich natürlich mit dieser, für das Heads-Up sehr starken Hand nicht vertreiben und callt.
Der Flop J♦ 8♣ 6♦ ist sehr interessant, da er viele Draws aufs Board bringt und vor allem das Spektrum des Callers getroffen hat.
Dennoch setzt Fee und repräsentiert damit eine starke Hand, mit der er zu weiteren Bets bereit ist. Schon hier muss er das spätere Vorgehen planen, da er mit dieser C-Bet wegen des Reraise vor dem Flop bereits ein Drittel des effektiven Stacks investiert hat.
Call oder Raise?
Aus Pauls Sicht kommt ein Fold angesichts des Nut Flush Draws und der Overcard natürlich überhaupt nicht infrage, vielmehr geht es darum, ob ein Call oder ein Raise besser ist.
Beides hat Vorteile, denn bei einem All-In-Raise könnte Paul womöglich einige bessere Hände wie eine Acht, eine Sechs oder ein mittleres bzw. niedriges Paar zum Folden bringen und seinen Stack immerhin um mehr als ein Drittel ausbauen.
Ein Call dagegen hat den Vorteil, dass Fee mit seinem ganzen Spektrum, das viele Bluffs enthält, auf den Turn kommt und möglicherweise weitere Chips verliert.
Man braucht aber auf jeden Fall einen Plan für den Rest der Hand, und das Problem ist, dass man auf dem Turn ohne Treffer entweder aufgeben oder mit einem nackten Draw callen muss – denn ein All-In hat dann gar keine Fold Equity mehr.
Fee eiskalt
Der Turn mit dem K♥ hilft eher Fees Spektrum, und der lässt sich nicht lumpen und bringt die nächste Bet.
Ganz offenbar schätzte Fee die Lage so ein, dass Pauls Spektrum aus genug Draws und schwachen Händen besteht, die er zum Folden bringen kann, und gleichzeitig demonstriert er enorme Stärke, indem er seinem Gegner mitteilt: „Der Rest geht auf dem River rein!“
Aus Pauls Sicht zeigen sich die Nachteile des Flop-Calls. Er hat zwar noch einen Gutshot zum Flush Draw dazubekommen, doch weiterhin nicht einmal ein Paar.
Schaut man sich die Anzahl der Outs an, die irgendwo zwischen 12 und 18 und die Gewinnwahrscheinlichkeit damit im Bereich von 25 Prozent liegt, wäre ein Call mathematisch nicht drin, sofern man davon ausgeht, dass Fee nicht mit totalem Schrott blufft.
Gerade bei einem aggressiven Spieler wie Fee ist die Bluff-Wahrscheinlichkeit aber immer vorhanden, und insofern ist der Call nicht zu tadeln, sofern man damit auch den Call auf dem River IMMER macht.
Fee sieht immer noch Fold Equity
Der River mit dem zweiten Buben ändert im Grunde wenig – wer bis hierhin vorne lag, liegt auch jetzt noch vorn.
Das hält Fee aber nicht davon ab, in einem Pott mit über 2 Millionen gegen einen Spieler, der nur noch 22 BB oder 650.000 Chips hat, einen weiteren Bluff abzufeuern.
Hier fängt das Denken auf der nächsthöheren Ebene an, das in etwa so aussieht: „Ich setze, obwohl du nicht folden kannst, also bin ich sehr stark, willst du dann nicht doch folden?“
Und tatsächlich kommt Paul noch einmal gewaltig ins Grübeln, wohl auch deswegen, weil er gegen einige Bluffs wie niedrige Paare sogar verliert.
Unterm Strich ist ein Call aber absolut zwingend, denn neben „stinknormalen“ Bluffs wie 52s kann Fee auch geplatzte Draws mit Oben-unten (97, Q9 oder Gutshots) bzw. geplatzte schwächere Flush Draws haben, dazu kommt, dass das Spektrum von wirklich starken Händen, die dreimal setzen, aus recht wenigen Händen wie einem Buben, vielleicht einem König und 88 bzw. 66 besteht.
Dennoch ist es, obwohl Paul sich im höheren Sinne bereits auf dem Turn zum Call entschieden hat, immer schwierig, einen solchen Call zu machen, bei dem es ums Turnierleben (und das der beiden Mitstreiter!) geht.
Respekt also für Gabriel Paul, dass er die Nerven bewahrt hat.
Fazit
Ryan Fee haut alle vier Setzrunden erbarmungslos auf seinen Gegner drauf, schafft es aber nicht, eine Ass-hoch-Hand zum Folden zu bringen.
Sein Gegner, Gabriel Paul, callt so lange mit einem Draw, bis er auf dem River nicht mehr folden kann und einen riesigen Pott gewinnt.