Bei den erstmals ausgetragenen Poker Masters duellierte sich in der letzten Woche die gesamte Turnierelite der Welt und dabei kam es zu mehreren interessanten Händen. Eine der dramatischsten Auseinandersetzungen lieferten sich Daniel Negreanu und Koray Aldemir – am Ende behielt Kid Poker die Oberhand und eliminierte die Nummer 2 des GPI-Rankings 2017.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Beim $100.000-Turnier im Rahmen der Poker Masters sind noch 16 Spieler übrig, und ganz allmählich bewegt sich das Feld in Richtung Money Bubble.
Zu den größten Stacks zählt Daniel Negreanu mit 634.000 am TV-Tisch, aber auch Koray Aldemir mit 414.000 hat einen der größeren Stacks.
Die Blinds betragen 1.500/3.000 plus 3.000 Ante im Big Blind, und nach lauter Folds raist Aldemir, aus dessen Sicht wir die Hand verfolgen, mit
auf 7.000.
Hellmuth foldet, aber Negreanu reraist auf 27.500 vom Small Blind. Sontheimer foldet, und Aldemir callt. Im Pott sind damit 61.000, und die effektiven Stacks betragen 387.000.
Der Flop bringt
Negreanu setzt weitere 16.000, die Aldemir callt. Im Pott sind damit 93.000, und die effektiven Stacks betragen 371.000.
Der Turn bringt die
Negreanu setzt weitere 45.000, worauf Aldemir erneut callt. Im Pott sind damit 183.000, und die effektiven Stacks betragen 326.000.
Der River bringt die
Negreanu setzt weitere 125.000, worauf Aldemir nach kurzem Nachdenken All-In geht. Prompt callt Negreanu mit den Nuts
und nimmt den Deutschen aus dem Turnier.
Analyse und Bewertung
Eine wirklich brutale Hand aus Sicht Aldemirs, der hier erst ganz zum Schluss mit seinem Monster aufwachte und dann eine der drei Hände präsentiert bekam, die ihn schlugen.
Ob der junge Deutsche etwas anders machen bzw. das Ausscheiden verhindern konnte, wollen wir uns nun noch einmal genauer ansehen.
Vor dem Flop bringt Aldemir den normalen Standard-Raise auf 2,33 BB, worauf Negreanu, der den größten Stack am Tisch hat, auf 27.500 Chips bzw. gut 9 BB reraist.
Vor seiner Antwort muss Aldemir das gegnerische Spektrum eingrenzen und eine erste Einschätzung vornehmen. Mit einem derart großen Stack reraist Negreanu auf jeden Fall mit mehr Händen als mit einem kleineren, hinzu kommt, dass Aldemir aus später Position ebenfalls ein recht breites Raise-Spektrum hat.
Negreanus Spektrum umfasst somit in etwa folgende Hände: Hohe und mittlere Paare bis 77, viele Broadway-Kombinationen wie AK oder KQ, gelegentliche Suited Connectors wie 98s oder 87s, verstreute Bluffs wie A4 oder gar K2.
Nun geht es darum, den besten Spielzug zu ermitteln. Viele Amateure würden mit der viertbesten Starthand einen Reraise auspacken, da sie Angst vor einer Overcard auf dem Flop haben und die Hand daher lieber gleich beenden würden.
Tatsächlich beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass auf dem Flop eine Overcard kommt, 57 Prozent, doch ein Weltklassespieler wie Aldemir callt hier aus mehreren Gründen gern:
- Mit einer 4-Bet würde er sich nur gegen starke Hände isolieren.
- Mit einem Call lässt er das gesamte Spektrum Negreanus samt Bluffs in der Hand.
- Mit Position und der gegenüber Negreanus Spektrum besseren Hand befindet er sich in einer vorteilhaften Lage.
- Mit dem Call kontrolliert er gegen den Chipleader den Pott und investiert nicht schon vor dem Flop viele Chips.
Semi-Bluff und Rope-a-dope auf Flop und Turn
Der Flop bringt eine spannende Konstellation aufs Board, denn Aldemir hat Second Set und Negreanu oben-unten gefloppt.
Natürlich versucht Negreanu hier, den Pott direkt zu gewinnen – die beiden hohen Karten haben seinem Spektrum geholfen und er kann oft eine bessere Hand wie 99 oder 77 zum Folden bekommen, womit diese Situation für einen Semi-Bluff mit einer Continuation Bet geradezu idealtypisch ist.
Aldemir wiederum hat keinen Grund, etwas zu überstürzen und mit einem Raise die vielen schwächeren Hände von Negreanu zu vertreiben.
Nach seinem Call bringt der Turn mit der 2♥ eine völlig unbedeutende Karte, und Negreanu lässt mit einer weiteren Bet nicht locker.
Durch seinen Reraise befinden sich Hände wie AA, KK und AK (und natürlich auch JJ und 88) in seinem Spektrum und indem er sie repräsentiert, kann er – weiterhin mit Dame hoch – vielleicht Hände wie AJ oder AQ zum Folden bekommen und gleichzeitig recht risikolos den Pott aufbauen, um bei einem Treffer auf dem River mehr Chips zu gewinnen.
Erneut bleibt Aldemir ruhig und überstürzt mit einem weiteren Call immer noch nichts – mit einem Raise würde er viele Hände wie AK oder KQ zum Folden zwingen, von denen er auf dem River noch Chips gewinnen kann.
Dampfhammer auf dem River
Der River bringt Negreanu mit der 9♠ die absolute Traumkarte, denn er hat die Nuts und kann weiterhin von vielen Händen auf Auszahlung hoffen. Selbst eine Hand wie AK würde hier noch einen Call überlegen, aber darüber hinaus befinden sich auch viele Two Pairs und einige Sets in Aldemirs Spektrum.
Nachdem Negreanu etwa ein Drittel des Potts angespielt hat, überlegt Aldemir länger, ob er raisen oder nur callen soll.
Damit ein Raise sinnvoll ist, muss er mit den Fourth Nuts (QT, T7 und KK schlagen ihn, wobei T7 sehr unwahrscheinlich ist) überlegen, ob genügend schlechtere Hände callen können, denn ansonsten wäre ein Call besser.
Ein eher konservativer Spieler wie Phil Hellmuth würde hier vermutlich ohne größere Überlegung callen, aber ein Vertreter der modernen Schule wie Aldemir versucht, aus solchen Situationen das Maximum herauszuholen.
Schauen wir uns die realistischen Hände an, die callen können, um herauszufinden, ob das All-in ein guter Spielzug ist. Dazu zählen die besseren Hände KK (3 Kombos) und QT (maximal 16 Kombos) [T7 kann definitiv vernachlässigt werden, da Negreanu damit nicht vor dem Flop reraisen würde] und die schlechteren Hände 88 (3 Kombos) und vielleicht KJ (9 Kombos, muss auf jeden Fall diskontiert werden) oder vielleicht sogar 98 (9 Kombos, muss stark diskontiert werden), falls Negreanu damit die Welle machte.
Da Negreanu mit einer Hand wie AK auf keinen Fall das All-In callen würde, ist die Zahl der besseren Hände, die callen, eher größer, als die der schlechteren, daher kann Aldemirs All-In an dieser Stelle nicht überzeugen.
Ein Call, nach dem ihm noch über 200.000 Chips und damit nach der folgenden Blind-Erhöhung noch 50 BB verblieben wären, wäre deutlich besser gewesen.
Fazit
Daniel Negreanu trifft beim $100.000 Poker Masters auf dem River seine Traumkarte und hat dann noch das Glück, dass Koray Aldemir das Maximum gewinnen will und dabei übersieht, dass nur wenige schlechtere Hände callen können.
Treffende Analyse, vielen Dank dafür!