Seine große Zeit ist sicher vorbei, aber er hat eine Vielzahl von Meisterwerken der Pokerkunst hinterlassen. Tom Dwan war der Superstar der großen Poker-Fernsehshows "High Stakes Poker" und "Poker After Dark" und spielte gleich mehrere unvergessliche Hände. Ein besonders beeindruckendes Beispiel mit einem extremen River-Bluff präsentieren wir in unserer Hand der Woche.
Ausgangslage und Spiel bis zum River
Wir verfolgen eine der berühmten Cashgame-Runden von High Stakes Poker, und am Tisch sitzt neben gestandenen Profis wie Antonio Esfandiari, Phil Hellmuth und Phil Laak auch der reiche Amateur Bob Safai.
Safai hat allerdings Tom Dwan bereits gut $100.000 abgenommen und sitzt aktuell vor einem Stack mit etwa $170.000.
Dann bekommt er
und raist damit auf $2.000.
Tom Dwan callt mit einem kleineren Stack (ca. $152.000) im Cut-Off, und die anderen Spieler folden. Im Pott sind $5.200, die effektiven Stacks betragen etwa $150.000.
Der Flop bringt
Safai setzt $5.000, Dwan callt. Im Pott sind $15.200, die effektiven Stacks betragen etwa $145.000.
Der Turn bringt die
Safai setzt $12.000, Dwan callt. Im Pott sind $39.200, die effektiven Stacks betragen etwa $133.000.
Der River bringt die
Safai checkt, Dwan überlegt kurz und geht dann mit $133.200 All-In. Safai schmunzelt, gibt die Hand aber nach kurzem Nachdenken auf.
Dwan hat
und gewinnt den Pott mit $39.200 mit Acht hoch. Hier die gesamte Hand in bewegten Bildern:
Analyse und Bewertung
Eine wirklich kuriose Hand, in der Tom Dwan sich selbst ein extrem ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis schuf und trotzdem – oder gerade deshalb – brillant spielte.
Schauen wir uns die Hand aus seiner und der gegnerischen Perspektive noch einmal an, um hinter das Geheimnis dieses Moves zu kommen.
Vor dem Flop bekommt Dwan in günstiger Position eine seiner Lieblingshände – einen mittleren Suited Connector mit einer Lücke.
Das sind die Hände, mit denen er ein Vermögen macht, denn sie treffen versteckte Monster und funktionieren gut gegen die damaligen Raise-Spektren, die vor allem aus hohen Karten bestehen.
Auf dem Flop trifft Safai Top Pair, Top Kicker und setzt damit fast Pott. Das ist mit der fast sicher besten Hand und einem klebrigen Gegner eine gute Einsatzhöhe.
Dwans mögliche Pläne
Nach Safais Bet muss sich Tom Dwan einen Schlachtplan zurechtlegen. Er hat einen Flush Draw und einen Backdoor Straight Draw, doch das allein reicht einem Spieler wie ihm nicht aus.
Mit Position hat er mehrere Möglichkeiten, die Hand zu gewinnen. Er kann treffen, aber auch nach einem gegnerischen Check auf dem Turn mit einer Bet den Pott zu stehlen versuchen.
Als Safai auf dem Turn erneut setzt, fällt diese Möglichkeit flach, aber es gibt es auch eine andere Option, die Dwan sicher in Betracht gezogen hat – einen Semi-bluff-Raise.
Das Problem an dieser Spielweise ist allerdings, dass Dwan nach einem All-in seines Gegners folden müsste. Schauen wir uns dazu die Mathematik an:
Angenommen, Dwan raist die $12.000 auf $40.000 und wenn Safai mit effektiven $152.000 All-In geht, muss Dwan $112.000 bezahlen, bekommt also Pot Odds von 1,35 zu 1 – bei guten 20 Prozent Gewinnchance mit seinem Flush Draw alles andere als eine gute Ausgangslage.
Call mit Hintertür
Der Vorteil eines Semi-Bluffs ist natürlich, dass Dwan die Hand auf zwei Arten gewinnen kann – indem er die beste Hand trifft oder den Gegner zum Folden bringt.
Hier entscheidet er sich aber für einen Call mit einem Hintertürchen, denn er hat auf dem River das letzte Wort.
Safai spielt nach der annähernd unbedeutenden 2♦ auf dem River – immerhin könnte Dwan durchaus 64 haben – wie aus dem Lehrbuch: Er checkt, weil schwächere Hände kaum eine dritte Bet bezahlen können und er von geplatzten Draws eventuell Bluffs provozieren kann.
So weit, so gut, doch Safai hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht und erlebt nun eine böse Überraschung.
Ein Aspekt seiner Spielweise ist nämlich, dass er sein Spektrum mit seinem Check nach oben begrenzt hat, denn natürlich würde er mit einem Set Damen oder Zehnen erneut setzen.
Der Monster-Bluff
Genau diesen Umstand macht sich Tom Dwan nach kurzer Überlegung zunutze.
In einen Pott mit $39.200 setzt er gigantische $133.200, und was auf den ersten Blick wie totaler Wahnsinn aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als tiefes Kalkül.
Werfen wir zunächst einen Blick auf Safais Spektrum, es besteht aus
1. guten, aber nicht überragenden Händen wie AQ, KQ, AA, KK und vielleicht JJ.
2. geplatzten Bluffs wie zwei Kreuz oder anderen Zufallshänden.
Gegen Kategorie 2 spielt die Einsatzhöhe keine Rolle, da Safai immer foldet, aber für Kategorie 1 reicht ein normaler Bluff nicht aus.
Bet, Bet, Check-Call ist die normale Spielweise mit AQ oder KK in dieser Situation, also mit den Händen, die extrem wahrscheinlich sind, während gleichzeitig die wirklichen Monster wie QQ und TT oder gar 64 ausgeschlossen sind.
Safai würde also nichts lieber tun, als eine normal hohe Bet seines Gegners snapzucallen, denn natürlich besteht Dwans Spektrum vor allem aus geplatzten Draws.
Und genau diesem Ansatz macht Dwan mit seinem All-In einen gewaltigen Strich durch die Rechnung, erwähnt werden muss allerdings auch, dass er sich damit ein sehr ungünstiges Chance-Risiko-Verhältnis gibt.
Mathematisch bedeutet dies nämlich, dass Safai in fast 80 Prozent der Fälle folden muss, damit Dwans Bluff profitabel ist – die Latte liegt also sehr hoch, doch in einem Interview meinte Dwan nüchtern, er sei davon ausgegangen, dass Safai auf jeden Fall so oft folden würde.
Fazit
In einer Situation, in der das gegnerische Spektrum die besten Hände nicht enthält, packt Tom Dwan die riesige Keule aus und durchkreuzt damit die Pläne seines Gegners Bob Safai, der im Nachhinein vermutlich statt Check-Call lieber eine Block Bet gebracht hätte.
Für solche Geniestreiche braucht man eine Menge Mut und einen langfristigen Plan, kurzum Eigenschaften, über die nur ein Weltklassespieler wie Tom Dwan verfügt.