Für WSOP-Sieger gibt es keine Schablonen. Einige nehmen ihre Millionengewinne und verschwinden, während andere der Szene so lange wie möglich treu bleiben. Einige gewinnen weiter, andere nicht. Einige Champions schafften es, ihren Titel zu verteidigen und andere sind inzwischen fast gleichbedeutend mit dem Pokerspiel.
Sie sind der Katalysator für Veränderungen, stehen für enorme Wendepunkte oder werden Archetypen für das Spiel.
Stu Ungar verkörperte die tragische Brillanz eines genialen, professionellen Zuckers. Ungar gewann das WSOP Main-Event hintereinander in den Jahren 1980 und 1981, verfiel aber zeitgleich dem Kokain. Nachdem er zwischenzeitlich in ein tiefes Loch aus Drogen und Sportwetten fiel, tauchte er 1997 wieder auf und gewann das Main-Event zum dritten Mal. Das brachte ihm den Spitznamen Comeback Kid ein, aber es war am Ende doch nur der letzte Hauch seines Genies und kein Comeback. Im nächsten Jahr starb er an einer Überdosis in einem billigen Motel und war komplett pleite.
Andere Champions haben Epochen geprägt. Chris Moneymakers Sieg im Jahre 2003 entflammte Online-Poker. Er war ein Buchhalter aus Tennessee, qualifizierte sich für das Main Event für gerade einmal 39 Dollar und gewann am Ende 2,5 Millionen. Moneymakers letzter Gegner war sogar ein Veteran aus Las Vegas – ein Profi mit einer nicht angezündeten Zigarette im Mundwinkel und einem halboffenen Shirt. Sam Farha.
Poker explodiert förmlich. Jeder konnte der neue Moneymaker sein. Das Main-Event 2003 hatte 839 Teilnehmer und als Jaime Gold im Jahr 2006 den Titel holte, war das Feld auf 8773 Spieler angewachsen.
Poker war ein wildwachsendes, parasitäres Unkraut, das Geld abgesonderte. Nichts und niemand konnte es stoppen. Und 2006 konnte auch niemand Gold stoppen.
Der unaufhaltsame Jaime Gold
„Nach dem ersten Tag war ich kein einziges Mal all-in,“ erklärt Gold. „Ich glaubte an meinen Sieg, aber erst ab dem vierten Tag hatte ich das Gefühl, dass er Wirklichkeit werden könnte. Ich hatte einen so unglaublichen Vorsprung, dass es ganz egal war, an welchem Tisch ich gesetzt wurde – ich hatte immer mehr Chips als alle anderen Spieler zusammen.“
„Wenn man acht Tage in Folge Chipleader und kein einziges Mal in einer brenzligen Situation ist, kommt irgendwann der Punkt an dem man denkt: Wow, ich werde dieses Ding wirklich gewinnen!“
Abgesehen von seinem Stack hatte Gold auch ein dominierendes Psycho-Spiel gegen seine Mitspieler. Der Hollywood-Vermittler schaffte es regelmäßig, seine Spieler zu überreden, die bessere Hand zu passen oder mit einer schlechteren Hand zu zahlen.
„Ich hatte famose Karten, ich spielte mein bestes Spiel und ich machte etwas, was die Leute gar nicht gewohnt war – Sprechen,“ so Gold.
„Es war der perfekte Strom.“
Dank dieses Sturms erhielt Gold die größte Auszahlung, die jemals ein Main-Event-Sieger mit nach Hause nahm: 12 Millionen Dollar.
Gold sagte, er wäre 24 Stunden wach gewesen als er den Titel gewann und wäre danach weitere 24 Stunden mit Freunden und Familie feiern gegangen.
„Wir tranken viel zu viel,“ sagte Gold. „Ich erinnere mich daran, am nächsten Tag betrunken zu CNN zu gehen und ihnen zu sagen: Hört mal, ich sollte dieses Interview nicht machen, warum warten wir nicht noch einen Tag.“
CNN bestand jedoch auf das Interview und irgendwie hatte Gold das auch über die Bühne gebracht.
„Das war auf alle Fälle der Gipfel von allem im Poker.“
Der Downswing
Dann ging alles vor die Hunde.
Gold hörte vorübergehend mit dem Pokerspiel auf, um Zeit mit seinem Vater zu verbringen, der an ALS litt. Golds Vater starb im Dezember.
„Wir wussten, dass er im letzten, kurzen Abschnitt seines Lebens war,“ so Gold. „Ich habe so viel Zeit wie möglich mit ihm verbracht und Poker war das letzte an das ich dachte.“
Dazu kam, dass Gold rechtliche Probleme wegen seiner Gewinne bekam. Crispin Leyser erklärte, er hätte einen Deal mit Gold gemacht, der ihm die Hälfte der Gewinne zusicherte und Gold weigerte sich zu zahlen. Leyser verklagte Gold und die beiden einigten sich außergerichtlich.
Nach Golds Titel bekam Online-Poker ebenfalls Probleme. Der Kongress verabschiedete den Unlawful Internet Gambling Enforcement Act im Oktober 2006 und das legte den Grundstein für die Untersuchungen des FBI, welche am Ende zum Schwarzen Freitag führten.
Sowohl Gold als auch Online-Poker schienen aus den USA zu verschwinden. In den letzten Jahren gab es jedoch Andeutungen, dass beide wieder zurückkommen könnten. Nevada, New Jersey und Delaware haben Online-Poker reguliert und es steht zu erwarten, dass weitere Bundesstaaten folgen werden.
Gold: „Ich bin auf jeden Fall zurück und nehme Poker sehr ernst.“
„Es kommt langsam zurück,“ erklärt Gold. „Die Leute glauben, dass Poker peu à peu zurückgegangen sein, doch das stimmt nicht. Es gibt jedes Jahr mehr Leute, die spielen und an Turnieren teilnehmen.“
„Man sieht es eben einfach nicht mehr im Fernsehen, denn es gibt keine Sponsoren mehr, weil die Online-Seiten weg sind.“
Ein Jahrzehnt nach seinem historischen Triumph bestreitet Gold seinen Weg zurück in das Rampenlicht. Letztes Jahr erreichte er einen Final-Table bei der WSOP und wurde Zweiter bei einem Circuit-Event im März.
„Ich bin auf jeden Fall zurück und nehme Poker sehr ernst,“ so Gold. „Ich war ungefähr sechs Jahre weg vom Fenster und das Spiel ändert sich alle zwei Jahre.“
„Also habe ich neu gelernt und mit mehreren wirklich guten, jungen Spielern trainiert – genauso wie ich es vor zehn Jahren gemacht habe.“
Eine Sache, die sich auf jeden Fall verändert hat, ist das Gesprächsverhalten am Tisch. So wie Gold vor zehn Jahren über seine Hände gesprochen hat, um seine Gegner zu verwirren, darf er sich heutzutage nicht mehr verhalten. Aber Gold sagt, er habe immer noch Möglichkeiten, seine Gegner zu beeinflussen und er glaubt, das sei immer noch ein wichtiger Bestandteil des Spiels, der auch ein Comeback erleben wird.
Es ist nicht nur das Spiel, Gold hat sich auch verändert. Vor 2006 war ein Sieg beim Main-Event sein einziges Ziel.
„Aber das habe ich gleich bei meinem ersten Versuch geschafft!“
Was soll ein Pokerspieler danach noch machen?
Wohltätigkeit und Vermächtnis
„Für mich ging es nie darum, so viele Turniere wie möglich zu gewinnen,“ so Gold. „Für mich ging es darum, wie viel Geld ich zusammenbringen konnte, wie vielen Leuten ich helfen konnte und für wie viele Leute ich ein Vorbild sein konnte, um die Welt zu verbessern.“
Gold hat an vielen teilgenommen und mitgeholfen, viele Wohltätigkeits-Poker-Turniere zu organisieren. Gold, der immer noch im Marketing arbeitet, benutzt Poker, um dieses Business zu vertreten.
Gold sagt, es ist albern, die Zukunft vorhersagen zu wollen, aber er hofft, mehr spielen zu können, wenn er sich zur Ruhe gesetzt hat. Er will einfach nur besser werden und in den Turnieren, die er spielt, gut abschneiden. Aber egal wie gut er wird, Gold sagt, er wird vermutlich niemals an den mythischen Jamie Gold von 2006 heranreichen.
„Er hatte einen so unglaublichen Lauf, dass ich nicht glaube, ich könnte ihn schlagen, auch wenn mein Spiel um Längen besser geworden ist. Es lief einfach alles zusammen. Außerdem gehört eine große Menge Glück dazu, immer wieder die besten Hände zu bekommen und niemals Pech zu haben.“
„Manchmal kann man einfach nichts tun, manchmal gibt es einfach keine Möglichkeit, einen Gegner zu schlagen.“
Manche denken, das Spiel selbst würde niemals wieder so sein, wie in der goldenen Ära von 2006. Aber das hält sie nicht davon ab, zu spielen.
Von professionellen Zuckern zum perfekten Strom – Glückwunsch zu dieser Transkription, die an die goldenen ersten Tage des deutschen Pokerjournalismus erinnert