Ich werde den Blödsinn überspringen. Es macht ja keinen Sinn, irgendjemanden gegen mich aufzubringen. Stattdessen wenden wir uns dem „guten Stoff" zu, für den vor allem zwei Personen verantwortlich sind: Mike Caro und Joe Navarro.
Mike Caros Buch Book of Tells lieferte eine Beschreibung klassischer Tells. Es erschien in einer relativ frühen Phase des Pokerbooms und wirkt heute stellenweise etwas veraltet, bietet aber gerade Anfängern noch immer viele nützliche und interessante Informationen.
Navarros einzigartiges Werk Read'em and Reap: A Career FBI Agent's Guide to Decoding Poker Tells ist neuer und basiert auf authentischen Erfahrungen. Während seiner Zeit beim FBI arbeitete Navarro daran, Anzeichen dafür zu entdecken, ob jemand log, etwas verschwieg oder versuchte, ihn irrezuführen. Im Gegensatz zu Caro wendet Navarro wissenschaftliche Methoden an.
Falls es Sie interessiert, geben Sie „Paul Ekman" bei Google ein und folgen Sie den Links. Ekman ist ein renommierter Psychologe, der viel Grundlagenarbeit zum Thema Ausdruck menschlicher Emotionen geleistet hat.
Aber, und damit kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Artikels, erst wenn Caros und Navarros Arbeit zusammen betrachtet, kann man sich der wahren Wissenschaft von Poker Tells widmen.
Book of Tells: Begrenzte Nutzbarkeit
Caros Ansatz war das Ergebnis jahrelanger Auseinandersetzungen mit den härtesten Spielern der Welt. Sein Wissen basiert auf persönlichen Erfahrungen. Deshalb ist es für Anfänger, aber auch für recht erfahrene Spieler nicht ganz einfach, zu verstehen was Caro meint.
Die „zitternden Finger" als Tell für ein Monster sieht man heutzutage beispielsweise ziemlich selten. Als ich sie zum letzten Mal sah, war das vollkommen nutzlos. Der Spieler zitterte immer, wenn er Stress spürte - und das war jedes Mal, wenn er mehr als zwei BB in den Pot investierte.
Read'em and Reap: Intuition ist alles
Navarros Buch basiert auf gesammelten Daten aus Experimenten zu Verhaltensmustern, die Menschen beim Ausdruck bestimmter Emotionen zeigten, und wie ein erfahrener Ermittler diese Verhaltensmuster interpretieren konnte.
Diese Studien zeigten, dass gut ausgebildete Spezialisten wie FBI-Mitarbeiter oder Geheimagenten verdächtige Verhaltensmuster besser erkannten als Durchschnittsbürger. Ihnen fielen Nuancen in Verhalten, Mimik und Gestik schneller auf.
Beachtenswert ist, dass ihnen diese Muster nicht bewusst auffielen. Sie hatten vielmehr das vage Gefühl, „hier stimmt etwas nicht".
In einem bereits auf Pokerlistings erschienenen Artikel schrieb ich über „Intuition", die Fähigkeit, etwas zu fühlen, was nicht bewusst zu erfassen ist. Navarro versucht, den Leser dazu zu bringen, seine intuitiven Fähigkeiten zu trainieren, auf die Details zu achten und die wichtigen von den unwichtigen zu unterscheiden.
Tells: Nichts ist, was es scheint
Diese Fähigkeiten auszubilden, ist kein Kinderspiel; es dauert seine Zeit. Ironischerweise benötigt man die Erfahrung eines Mike Caro, ohne die er sein Buch nicht hätte schreiben können.
Zunächst müssen Sie sich bewusst machen, dass Sie die meisten Tells nicht bewusst wahrnehmen. Es geschieht nur selten, dass Sie einen Gegner ansehen und an einer Bewegung erkennen, dass er blufft.
Ich habe das einmal erlebt. Es war so bizarr, dass ich es erst für Schauspiel hielt. Dieser Typ setzte immer mit rechts, es sei denn er bluffte, dann benutzte er die linke Hand! Ich spielte nur einige Stunden mit ihm, also weiß ich bis heute nicht, ob er eine Falle aufbauen wollte, um jemanden wie mich hereinzulegen, oder ob er das tatsächlich unbewusst tat, aber ich habe in vielen Jahren als Spieler nie wieder etwas Vergleichbares gesehen.
Es gibt einige typische Tells in kritischen Situationen. Dazu gehört der Blick nach oben oder auf etwas völlig Irrelevantes.
Sie können ihn sehen, wenn ein Spieler eine große Bet macht und dann auf die Entscheidung seines Gegners warten muss. Er wird nervös, weil er nicht die Nerven eines Phil Hellmuth oder eines Chris Ferguson hat und blickt hoch zur Decke, zum Fernseher, zu einer vorbeigehenden Bedienung oder sogar auf seine Uhr.
Dies ist vorrangig ein Ausdruck emotionaler Anspannung, deshalb können Sie sich nicht sicher sein, ob er blufft oder ein Monster hält. Die Situation ähnelt der Arbeitsweise eines Lügendetektors oder „Polygraphs". Er erkennt keine Lügen, sondern registriert Erregung - weshalb die Testergebnisse vor Gericht auch nicht gewertet werden.
Setzen Sie Ihr theoretisches Wissen in die Praxis um
Ein typischer Tell ist komplex und aus psychologischer Sicht sehr interessant. Man nimmt ihn meistens unbewusst wahr, intuitiv, und er besteht aus einer Mischung aus Gestik, Mimik, Sprache und - insbesondere - Setzverhalten.
Jeder Mensch besitzt ein Verhaltensmuster und verhält sich in bestimmten Situationen auf ganz individuelle Weise. Ein guter Pokerspieler ist in der Lage, daraus Kapital zu schlagen. Tells sind nicht unbedingt spezifisch, sie sind vielmehr Varianten eines allgemeinen Musters.
Der am häufigsten vorkommende Tell bei einer sehr starken Hand besteht aus einer bestimmten Sitzposition und/oder einer bestimmten Sprechweise. Die individuelle Weise, wie ein Spieler sitzt oder spricht, verrät, ob er ein Monster hält oder blufft. Mancher lehnt sich dabei vielleicht nach vorne, während ein anderer sich gemütlich zurücklehnt.
Es ist nicht so einfach, diese Tells zu erkennen und zu lesen, und es gibt auch kein Patentrezept. Man benötigt Praxis und Erfahrung - im Spiel im Allgemeinen und mit einzelnen Spielern im Besonderen.+
Auf der Suche nach dem Zucken
Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Top-Spieler ihre Gegner- vor allem wenn es sich um weniger Erfahrene handelt - gerne fragen, was sie auf der Hand halten? Sehen Sie genau hin, wenn ein Meister wie Daniel Negreanu sich dieser Methode bedient.
Negreanu geht laut einige Hände durch, die sein Gegner möglicherweise halten könnte. Dabei beobachtet er genau, ob eine Änderung in der Haltung oder ein Zucken im Gesicht seines Gegenübers zu erkennen ist, wenn er eine bestimmte Hand nennt.
Wenn Sie mich fragen, gehört dieser Trick zu den besseren im Arsenal eines aufmerksamen Zöllners oder CIA-Agenten. Genau wie Sie sucht Daniel nicht nach einer bestimmten Reaktion, sondern nach einer Reaktion überhaupt.
Und die Moral von der Geschicht' lautet mal wieder: Üben, üben, üben. Wenden Sie viel Zeit auf. Je mehr davon Sie am Tisch verbringen, desto besser wird Ihre Sensibilität für Details - auch wenn Sie dazu gedrängt werden Ihre Kenntnisse zu verraten.