Jeder Pokerspieler kennt die folgende Situation: Du raist Preflop und bekommst einen Caller. Der Flop bringt ein Ass, das du nicht hast. In welcher Situation solltest du das Ass repräsentieren und wann besser nicht? Unser Kollege Lee Davy bat Top Pro Ludovic Geilich um Hilfe, und er wird euch diese Frage anhand eines anschaulichen Beispiels beantworten.
Die Hand
Lee Davy: Die Blinds sind 60/120. Ich habe 29.840 Chips und finde im Highjack. Ich raise auf 360 und der Cutoff bezahlt.
Der Flop ist
Ich mache eine Contibet in Höhe von 450 und mein Gegner callt zügig. Potsize: 1.890
Der Turn bringt den
Ich bette 900 und er callt erneut. Pot: 3.960
Am River kommt die
Ich setze 2.800 und er bezahlt.
Lee Davy: Preflop ist standard. Nachdem er meine Contibet gecallt hat, habe ich ihn auf eine Range bestehend aus Pocket Pairs und Suited Connectors gesetzt. Deshalb habe ich mich dafür entschieden dreimal zu feuern, um alle Paare zum Folden zu bekommen.
Als er am Flop schnell gecallt hat, kann er natürlich auch ein Ass haben, das er nicht folden wird.
Nun würde ich gerne wissen, was die beste Vorgehensweise ist wenn er entweder ein Paar oder das Ass haben könnte?
Der Unterschied zwischen Online- und Livepoker
Ludovic Geilich: "Als erstes möchte ich sagen, dass es einen riesen Unterschied macht, ob diese Hand live oder online gespielt wurde, da die Chancen den Gegner zum Folden zu kriegen beim Livepoker deutlich höher sind.
Onlinepoker entwickelt sich ständig weiter, Livepoker dagegen nur langsam. Einige Sachen, die ich beim Livepoker mache sind verrückt, und das würde online nie funktionieren, da der Großteil der Spieler besser ist als ich.
Live kommt man damit aber davon, da man viele Chips von den schwachen Spielern gewinnt, und diesen Stack dann gegen die starken Spielern aggressiv einsetzen kann. Beim Livepoker sollte man um jeden Pot kämpfen!"
LD: Bedeutet das, dass es in erster Linie darauf ankommt seine Gegner richtig zu kategorisieren?
Ludovic Geilich: “Ja, das ist extrem wichtig. Du entscheidest dich zu bluffen, also musst du auch wissen wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass dein Gegner foldet. Wenn du das nicht weißt, dann steigt der Glücksfaktor in deinem Spiel enorm an.”
LD: Ich habe mich bei der Hand gar nicht damit auseinandergesetzt, ob mein Gegner folden wird oder nicht. Am Flop habe ich mir den Plan zurechtgelegt, dass ich dreimal feuern werde, unabhängig davon, ob mein Draw ankommt oder nicht.
Ludovic Geilich: "Das ist bei dieser Boardstruktur ein Fehler, denn das befindet sich noch im Deck und wenn es kommt machst du zwar den Flush, aber hast nicht die Nuts. Deshalb würde ich auf diesem Flop nicht meinen gesamten Stack riskieren.
Anders sehe das aus, wenn anstatt dem das im Flop wäre. Falls der Gegner in dieser Situation ein Set oder Top Pair Top Kicker hat und dann der Flush ankommt, dann kann ich mit meinem Image all seine Chips bekommen.
Bei einem Ass und zwei Karo ist es dagegen schwer drei Barrels zu feuern. Ich meine damit nicht, dass du immer aufgeben solltest, sondern dass die Boardstruktur unglaublich wichtig ist.
Auf Queen, Jack, Ten oder Nine-high Boards mit zwei Karo kannst du dreimal betten, aber wenn das Ass im Flop liegt, dann würde ich nur zweimal setzen und im Falle eines Calls am River aufgeben, da dein Gegner zu häufig Top Pair hat und nicht folden wird."
Es kommt auf den Gegner und die Boardstruktur an
LD: Ab welchem Zeitpunkt in dieser Hand gibst du deinem Gegner das Ass?
Ludovic Geilich: "Du machst eine Contibet von 450 und er bezahlt sofort. Dabei handelt es sich um einen Online Tell, denn schlechte Spieler, die so schnell bezahlen, haben hier immer das Ass.
Es kommt also darauf an, wie gut du deinen Gegenüber kennst. Ein HUD oder Notes machen diese Entscheidung deutlich einfacher.
Ein guter Spieler kann dagegen alles haben. Gegen ihn kannst du dreimal feuern, um Hände wie 77, 88, 99 oder TT zum Folden zu bekommen. Ab und zu wirst du sogar von einem schlechteren Flush Draw gecallt und gewinnst am Ende mit King-high."
LD: Und wenn man keine Reads auf seinen Gegner hat?
Ludovic Geilich: “Dann solltest du Pot Control spielen.”
LD: Was sollte man sonst noch berücksichtigen?
Ludovic Geilich: “Die Entwicklung des Boards ist sehr wichtig, da sie darüber entscheidet, ob man bluffen kann oder nicht.
Falls in dieser Hand nach dem Flop von A♣ 6♦ 3♦ auf dem Turn und River 45, 57 oder 47 kommen, dann kannst du den River bluffen. Das würde ich allerdings nur gegen schlechte Spieler machen, da die guten Gegner wissen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass du nach deinem Preflop Raise eine Low Card hast.
Wenn der Gegner wie hier sehr schnell callt, dann besteht seine Range aus Pocket Pairs, AT und AJ, da du eine Dame und einen König blockst. Er bezahlt so schnell, weil er nicht will, dass du drei Barrels abfeuerst.
Das sieht nämlich so aus, als hättest du AK oder AQ, dennoch wird er AT und AJ nicht folden.
Mit AK und AQ kannst du also eine Value Bet machen, wobei der Bube keine gute Karte für dich ist. Folglich würde ich mit AK für Value betten und mit AQ check-callen, da es nach dem Verlauf der Hand sehr wahrscheinlich ist, dass er AJ oder AT hat.
LD: Er hatte in der Tat AJ, dennoch waren am River auch noch Pocket Pairs in seiner Range, deshalb habe ich ein drittes Mal gebettet.
Ludovic Geilich: Ja, er könnte schon auch ein Pocket Pair haben, gerade zu Beginn des Turniers, da er so deep mit diesen Händen nicht 3-betten will, aber dann feuerst du halt nur zweimal und gibst am River auf.
Harte Arbeit ist der Schlüssel zum Erfolg
LD: Welche anderen Ratschläge kannst du Beginnern für solche Spots geben?
Ludovic Geilich: “Du musst dahin kommen, dass die meisten Entscheidungen automatisiert sind, sodass du genug Energie übrig hast die richtig schweren Entscheidungen gut zu durchdenken. Dies erreichst du, indem du so viele Hände wie möglich spielst.
Deshalb würde ich zunächst einmal versuchen herauszufinden, wie viele Tische ich profitabel gleichzeitig spielen kann. Nehmen wir mal an das sind vier, dann würde ich vier MTTs oder SNGs spielen und beginnen an meinem Spiel zu arbeiten.
Wie bei allem im Leben, so führt auch beim Poker harte Arbeit zum Erfolg.
SNGs sind hervorragend dafür geeignet zu lernen wie man Shorthanded spielt, während MTTs das Deepstack Play verbessern.
Wenn man über einen längeren Zeitraum so viele Hände wie möglich spielt, dann wird das Gehirn irgendwann anfangen schneller zu arbeiten.
Dazu ein einfaches Beispiel: Wenn du AT in Early Position immer raist und dann immer eine 3-Bet callst, verlierst du langfristig Geld. Mit der Zeit merkt das Gehirn das und du wirst die Hand entweder gar nicht mehr in früher Position spielen oder auf eine 3-Bet folden. Somit wurde eines der Leaks in deinem Spiel geschlossen.
Das kontinuierliche Spielen hat maßgeblich dazu beigetragen. Glaub bloß nicht den Mist, dass es Spieler gibt, die nur gewinnen, weil sie Glück haben.
Erfolg beim Poker besteht aus harter Arbeit, Können, Hingabe und einer Prise Glück.“
Zu guter Letzt gibt es noch eine Hand von Geilich, die das im Strategieartikel beschriebene sehr schön veranschaulicht: